Götterschild
es daran, dass ich es mit ein bisschen Schlafmittel gewürzt habe. Und wer nicht schlafen wollte, der wurde von meinen Gehilfen ›überredet‹.«
»Wer sind diese Leute?«, wollte Rai wissen, während er durch die geöffnete Tür nach draußen spähte. Dort warteten noch vier weitere Bewaffnete beim Treppenaufgang.
»Sagen wir einfach, wir haben gemeinsame Interessen«, meinte Shyrali geheimnisvoll. »Kümmert euch gar nicht um sie.«
»Und wie hast du uns gefunden?«, wollte Targ wissen. »Warum bist du überhaupt hier in Seewaith?«
»Wie ihr ja wisst«, antwortete sie, »habe ich zu der Zeit, als die Schule Ecorim noch stand, hier eine Weile einige Nachforschungen betrieben …«
»Du meinst, du hast uns ausspioniert«, berichtigte Targ sie nüchtern.
»Wie man das auch immer nennen will«, erwiderte Shyrali und machte dabei eine wegwerfende Geste. »Jedenfalls verfüge ich aus dieser Zeit noch über ein paar recht gute Verbindungen. So habe ich dann auch erfahren, dass ihr in Seewaith angekommen seid, nur um gleich darauf wieder spurlos und ohne das Schiff, mit dem ihr hergesegelt wart, zu verschwinden. Als ich dann noch hörte, dass Megas in der Stadt sei, musste ich nur eins und eins zusammenzählen.«
»Und die Nachrichten neben dem Kellerschacht des Ratsgebäudes haben dich dann zu unserem Gefängnis geführt«, ergänzte Meatril, wobei er Rai und Targ einen zufriedenen Blick zuwarf.
Shyrali hob erstaunt die Brauen. »Welche Nachrichten? Nein, meine Gehilfen haben das über einen Spitzel bei der Stadtwache herausgefunden.«
Rais Miene verfinsterte sich, während Meatril schuldbewusst die Schultern sinken ließ. »Dann haben wir uns also ganz umsonst die Lippen und Nasen blutig gerissen«, knurrte Rai. Doch gleich darauf überzog schon wieder ein breites Grinsen sein Gesicht. »Aber großzügig, wie ich bin, verzeihe ich dir, Meatril, schließlich sind wir jetzt frei!«
»Genau«, pflichtete Targ bei. »Höchste Zeit, dass wir hier rauskommen, um mit Megas abrechnen zu können.«
»Der ist aber gar nicht mehr in Seewaith«, eröffnete ihm Shyrali.
»Nicht?« Targ klang enttäuscht.
»Ist er etwa schon in die Istaebene aufgebrochen?«, fragte Meatril alarmiert.
»Wie ich gehört habe, ja«, bestätigte Shyrali seine Befürchtungen. »Er ist bereits einige Tage fort.«
»Verflucht«, entfuhr es Meatril.
Alle sahen verstohlen zu Belena hinüber, die selbst nach Shyralis Eintreten noch nicht aus ihrer Ecke gekommen war, in der sie die meiste Zeit des Tages verbrachte. Jetzt aber erhob sie sich mühsam und ging mit unsicheren Schritten auf Shyrali zu. Sie sah die Rothaarige mit leeren Augen an. Obwohl die beiden vermutlich etwa im gleichen Alter waren, wirkte es, als spräche eine Frau, die die besten Tage ihres Lebens bereits hinter sich hatte, zu einem Mädchen kurz vor dem Erwachsenwerden: »Ich muss Megas finden«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Kannst du uns zu ihm führen?«
Überrascht schüttelte Shyrali den Kopf. »Ich denke nicht, dass ich dazu in der Lage bin. Ihn in der Steppe aufzuspüren, ist wahrlich kein Kinderspiel. Die Istaebene ist groß und ohne irgendeinen Anhaltspunkt, wo wir suchen sollen, dürfte ein solches Unterfangen ziemlich hoffnungslos sein.«
Unvermittelt packte Belena sie bei der Schulter. »Bitte«, krächzte sie und ihre Stimme versagte. Sie starrte Shyrali aus tiefliegenden, schattenumränderten Augen an.
»Wir sollten jetzt gehen«, ließ sich einer von Shyralis Begleitern aus dem Vorraum vernehmen. »Es wird nicht mehr ewig regnen und ein paar der Wachen beginnen schon, sich zu rühren.«
Beklommen lächelte Shyrali Belena zu und streifte dann behutsam deren Hand ab, die sich noch immer in ihre Schulter krallte. »Wir werden sehen, was wir tun können«, versprach sie vage. »Zuerst sollten wir aber im Schutze dieses Platzregens da draußen versuchen, den Unterschlupf zu erreichen, den wir für euch vorgesehen hatten.« Sie verschwand kurz durch die Tür und kehrte mit einem Stapel Mäntel in der Art, wie sie selbst einen trug, zurück.
»Streift euch die hier über, dann wird euch niemand erkennen, und bei dem Wetter fällt das auch nicht weiter auf. Sobald ihr fertig seid, gehen wir los.«
Sie taten wie ihnen geheißen und wenig später waren sie fertig zum Aufbruch. Alle fühlten sich noch etwas wackelig auf den Beinen, da sie schon so viele Tage keine längeren Strecken mehr gegangen waren und die lange Haft erheblich an ihren Kräften gezehrt
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