Götterschild
Aufspüren der Themuraiabauten die meiste Zeit unter freiem Himmel zugebracht hatte. Mittlerweile konnte er allerdings kaum mehr neue Verstecke der kleinen Holzbearbeiter finden. Offenbar kannte er in einer Entfernung von fünf Tagesmärschen bereits sämtliche Nester der Wurzelbälger, hatte geistigen Kontakt zu den Bewohnern hergestellt und sie mit Waffen versorgt, sodass es jetzt für ihn kaum noch etwas zu tun gab.
Nataol hingegen hatte die Zeit genutzt, um eine Art kleinen Cittempel im obersten Stockwerk des Hauses einzurichten. Dort oben wurden von dem greisen Hohenpriester nun täglich zum Sonnenaufgang Messen abgehalten, denen nicht nur die Tempelkrieger und das Gesinde beiwohnten, sondern auch Arton, wenn er nicht in den Bergen unterwegs war. Nataol musste den Krieger noch nicht einmal dazu ermutigen, denn Arton glaubte als Erwählter der Götter seinen himmlischen Schutzherren eine gewisse Dankbarkeit und auch Respekt zu schulden. Zudem erfuhr er in diesen Messen auch mehr über die Götter, die Kirche und ihre Geschichte, denn Nataol ließ nur allzu gerne sein unerschöpfliches Wissen in seine Predigten mit einfließen. Arton mochte die unaufdringliche Art des ehrwürdigen Citpriesters, mit der dieser seinen Zuhörern das Wesen und Wirken der Himmelsherrscher nahe brachte, ohne dabei, wie Arton es von den Götterdienern in seiner Heimat gewohnt war, unablässig Belehrungen oder gar Verhaltensregeln auszusprechen. Nataol versuchte zu überzeugen, statt anderen seine Ansichten aufzuzwingen, das schätzte Arton sehr.
Als er am Eingang des Weghauses angekommen war, informierte Arton den dort stehenden Posten, dass sie alsbald Besuch erhalten würden und der Erleuchtete Nataol davon zu unterrichten sei. Dann wartete er vor dem Haus auf die Ankunft der Kutsche, die sich erst noch die Windungen der Passstraße hinaufquälen musste. Arton wusste nicht recht, was er erwarten sollte. Handelte es sich vielleicht schon um einen Boten seines Bruders, der ihn zu einem Treffen laden würde? Kam Arden gar selbst, um seinen einzigen noch lebenden Verwandten wieder zu sehen? Letzteres schien jedoch unwahrscheinlich. Arton vermutete eher, dass Arden ihm bislang keine einzige Träne nachgeweint hatte und nun seine vermeintlich überlegene Position voll auskosten würde. Ihm wäre es in jedem Fall lieber gewesen, den verhassten jüngeren Bruder niemals wieder zu sehen und schon gar nicht unter diesen Umständen. Allerdings wollte er natürlich erfahren, was dieser plante, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als auf den Insassen der Kutsche zu warten.
Endlich erschien der Vierspänner hinter einem Felsvorsprung und der Kutscher lenkte sein Gefährt auf den Platz unmittelbar vor dem Weghaus. Während die sechs schwer gepanzerten Reiter rechts und links neben der Kutsche Aufstellung nahmen, sprang der Wagenlenker vom Kutschbock, um die Kabinentür zu öffnen. Gleich darauf tauchte ein rundes, kinnloses Gesicht in der Türöffnung auf. Die wulstigen Lippen des Unbekannten zogen sich zu einem überschwänglichen Lachen auseinander. Er zwängte seinen mächtigen Leib durch die Kabinentür und kletterte vorsichtig die beiden Trittsprossen an der Seite der Kutsche hinab. Das Gefährt schien erleichtert aufzuatmen, als das Gewicht des Mannes die Blattfedern der Radaufhängung nicht mehr länger strapazierte. Ächzend hob sich die Kabine um gut eine Handbreit.
»Das ist der Erhabene Malun«, flüsterte Nataol, der mittlerweile aus dem Haus getreten war und nun hinter Arton stand. »Er ist der engste Vertraute und Sondergesandte seiner Heiligkeit, des Citarim.«
»Es ist mir eine ganz besondere Ehre, den Erwählten der Götter endlich einmal persönlich zu treffen«, begann Malun und kam mit der ausgestreckten Rechten auf Arton zu. Dieser nahm die gebotene Hand, verzog dabei aber keine Miene.
»Meine Freude kannte keine Grenzen«, erklärte der Sondergesandte mit einer Begeisterung, als stünde er seinem Gott persönlich gegenüber, »als der Citarim mich als seinen Boten in dieser Angelegenheit ausgewählt hat, da sich mir dadurch die Gelegenheit bietet, Arton Erenor die Hand schütteln zu dürfen. Die weite Reise nach Skardoskoin und die schrecklich holprigen Wege in diesem unzivilisierten Land habe ich deshalb gerne auf mich genommen. Denn Ihr seid schon jetzt eine Legende, müsst Ihr wissen. Eure Fähigkeiten mit der Götterklinge Themuron haben sich bei der Priesterschaft herumgesprochen. Man munkelt, Ihr könntet
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