Götterschild

stattdessen schwang jetzt kalte Berechnung in seiner Geiststimme mit.
    ›Ihr werdet dem Erleuchteten Nataol erlauben, Tarana und Daia in die Festung Arch Themur zu geleiten. Gleichzeitig werde auch ich mich dorthin zurückziehen. Das Schwert Themuron lasse ich jedoch hier. Ich gebe den Themuraia den Befehl, die Klinge so lange zu bewachen, bis ich die Festungstore passiert habe. Danach sollen sie sich zerstreuen und das Schwert gehört Euch. Damit Ihr überprüfen könnt, dass ich mich an unsere Absprache halte, werde ich meinen Geist für Euch öffnen, sodass Ihr in der Lage seid zu verfolgen, was ich den Themuraia mitteile. Auf diese Weise bekommt jeder, was er will.‹
    ›Wenn es das ist, was Ihr wollt, Arton Erenor, dann seid Ihr ein weit größerer Narr, als ich annahm‹, entgegnete der Citarim verächtlich.
    ›Das mag sein‹, bekannte Arton freimütig, ›vielleicht seid aber auch Ihr der Narr und ich treffe gerade die erste richtige Entscheidung meines Lebens. Das muss sich noch erweisen. Seid Ihr also einverstanden?‹
    Es trat wieder eine Pause ein, die Arton reichlich Raum für die schrecklichsten Befürchtungen ließ, dann folgte ein knappes ›Ich bin einverstanden‹.

 
ZOTTELBART
     
    G erade als Thalia erleichtert feststellte, dass es sich bei den immer näher kommenden schwarzen Zacken vor ihr nicht um die Zähne eines Ungeheuers, sondern um Burgzinnen handelte, breitete sich schon die nächste Absonderlichkeit vor ihr aus: Vor der finsteren Burg befanden sich unzählige kleine graubraune Kinder. Doch irgendetwas stimmte nicht mit ihnen. Thalia blickte genauer hin. Die Kinder waren kaum größer als sie selbst und ihre Augen wirkten so rund und staunend wie die eines Kindes, der Rest ihres Körpers sah jedoch runzelig und sehnig aus, so als hätten sie an einigen Stellen zu viel Haut und an anderen wieder zu wenig. Das Schlimmste war jedoch, dass sie nun direkt auf diese eigenartige Schar zugaloppierten und keine der Istanoit Anstalten machte, ihr Pferd zu zügeln oder es zur Seite ausweichen zu lassen. Wollten sie diese Kinder denn einfach niederreiten?
    Dann entdeckte sie auf einmal die blitzenden Waffen in den Händen der Runzelkinder. Dreizackige, gemein aussehende Wurfgeschosse waren es und die seltsamen Wesen erweckten jetzt eindeutig den Eindruck, als wollten sie diese auf die anstürmenden Reiter schleudern. Thalia nahm sogleich furchtsam Deckung hinter dem Hals ihres Pferdes, das, wie sie genau spürte, bereits am Ende seiner Kräfte war. Das treue Tier ahnte nicht, welche Gefahren vor ihm lauerten. Es jagte nur gehorsam voran, weiter auf diese schrecklich spitzen Klingen zu – und Thalia mit ihm.
    Sie malte sich bereits in den dunkelsten Farben aus, wie sie unter dem tödlich getroffenen Pferdekörper begraben werden würde, da geschah etwas Eigenartiges. Sie vernahm in ihrem Kopf einen knappen Gedankenbefehl, klarer als alles, was sie jemals an fremdem Denken wahrgenommen hatte. Dennoch empfand sie das Kommando als unverständlich, so als spräche jemand zwar laut und deutlich, aber in einer unbekannten Sprache. Sie war sich deshalb auch sicher, dass dieses Kommando nicht an sie gerichtet war, sondern stattdessen die kleinen Schrumpelkreaturen gemeint waren. Diese reagierten sofort darauf. Eine Schneise tat sich in ihrer Mitte auf, durch die die Reiter ungehindert bis zu den Toren der Festung weiterpreschen konnten. Die Freude, welche sich daraufhin unter den Istanoit ausbreitete, brachte auch Thalia dazu, erleichtert aufzulachen.
    Im Vorbeireiten bemerkte sie einen düster aussehenden Krieger mit einem schwarzen Schwert in der Hand, der so in sich versunken schien, als würde er sich mit all seiner Kraft auf das zu besinnen versuchen, was in seinen Gedanken geschah. Augenblicklich wusste Thalia, dass der starke Gedankenruf zuvor von ihm gekommen war. Ihre Augen hingen an dem Mann und seiner Waffe, als habe sie der Anblick verhext. Sie begriff instinktiv, dass er ein Meister in dem war, was ihre Mutter gewöhnlich als Thalias »Gabe« umschrieb.
    Erst kurz vor dem Eingang der mächtigen Festung verlor sie den Krieger aus den Augen. Sie sah wieder nach vorn und stellte beklommen fest, dass diese langzahnigen Mauern, die sie gleich passieren würden, mächtiger waren als alles, was sie bisher gesehen hatte. Der einzige Durchgang war ein großer Spalt in der Mauer, der zu beiden Seiten von einem niedrigen Wall aus gestapelten Mauersteinen auf einen etwa drei Schritt breiten Durchgang