Götterschild
herrschen und es wird nicht lange dauern, bis sie auch nach deinem Leben trachten, großer Drache. Du musst eingreifen, du musst die Fardjan-Torion aufhalten, du musst uns beistehen!‹
›Mein Preis … der Ikarionspross … Ikarionspross für Drachenspross.‹
›Nein!‹, donnerte Hadors Geiststimme plötzlich mit ganzer Gewalt durch Thalias Kopf. ›Das kannst du nicht verlangen. Ein Unrecht wiegt das andere nicht auf. Kein Kind, ob von Mensch, Fardjani oder Drache, sollte seines ungelebten Lebens beraubt werden.‹ Er mäßigte die Vehemenz seines Denkens ein wenig, verstärkte aber dessen Eindringlichkeit. ›Die Tat meines Ahnen Elban Ikarion, der dein Junges erschlug, war eine Schande, wenn sie auch aus Unwissenheit und nicht aus Heimtücke geschah. Seither verbarg sich meine Familie vor deinem Zorn in der ehernen Feste und beraubte dich damit deiner Rache. Deshalb hast du damals, als ich dich um Hilfe bat, mein Leben gefordert, um die Schuld meines Vorfahren zu tilgen. Damals scheute ich dieses Opfer, doch heute bin ich bereit, den Preis zu bezahlen.‹
Die Stille, die unversehens in Thalias Kopf herrschte, war beinahe schmerzhaft. Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, erlosch das Feuer, ohne die geringste Spur in ihrem Geist zu hinterlassen. Nur ein einzelnes Wort blieb zurück, als hätte es der Drache in ihren Gedanken vergessen: ›Bezahlt.‹
Ardens Heer war in drei Teile zersplittert, wie ein Schiff, das auseinander gebrochen im Meer trieb, kurz bevor es versank. Das größte Kontingent wurde noch von den Istanoit gestellt, die sich verstärkt durch die herbeigeeilten Truppen aus der Festung mittlerweile in einem zähen Ringen mit den Fardjanireitern befanden. Ihren stärksten Trumpf, den schnellen Angriff zu Pferde kombiniert mit aus sicherer Entfernung abgefeuerten Pfeilsalven, konnten sie längst nicht mehr ausspielen, da die Fardjani sie von drei Seiten gegen die Festungsmauer gedrängt hatten. Dort fochten sie nun einen aussichtlosen Stellungskampf gegen die schwer gepanzerte Reiterei des Citarim. Hilfe war von ihnen nicht mehr zu erwarten.
Die zweite, weit kleinere Gruppe hatte sich um Arden in der Nähe des Lagereingangs formiert. Sie bestand neben dem König aus den knapp zwanzig verbliebenen Soldaten des Ausfalltrupps sowie Tarana und Arton. Zusammen mit der Istanoit hatte Arden seinen Bruder noch kurz zuvor schwer angeschlagen unter einem toten Fardjaniross herausziehen müssen, doch trotz einiger vermutlich gebrochener Rippen kämpfte Arton weiter, als wäre nichts gewesen. Sie hatten einen engen Kreis gebildet und versuchten, sich gegen die vielfache Übermacht an Feinden zu behaupten, indem sie sich gegenseitig die Möglichkeit verschafften, in der geschützten Mitte des Rings einige Augenblicke Atem zu schöpfen. Dennoch ging die Kraft der Soldaten dem Ende entgegen, wenngleich Fendralins siegesgewisses Strahlen in ihren Köpfen noch immer nicht verblasst war.
Die kleinste Gruppe bestand aus Targ, Meatril, Daia und Shyrali. Ihnen war es gelungen, einige Schritt weit ins Lager vorzustoßen, weil Targ, der schon von Anbeginn der Schlacht wie ein Besessener focht, ohne Vorwarnung einen kühnen Ausfall riskiert hatte. Die Überraschung seiner Gegner und die sofortige Rückendeckung durch seine drei Gefährten hatten ihn weit kommen lassen. Um ein Haar wäre es ihm gelungen, aus dem Ring der Fardjani auszubrechen und ins Innere der Zeltstadt zu entwischen. Doch es verhielt sich wie bei der Lawine, die das mitgerissene Opfer noch einmal das Sonnenlicht sehen lässt, bevor sie es endgültig begräbt. Drei Dutzend Fardjani tauchten plötzlich hinter einem Zelt auf und drängten die Vierergruppe zurück, sodass diese nun, getrennt von den anderen und umgeben von Feinden, auf gänzlich verlorenem Posten stand. Die tobende Schlacht vor den dunklen Mauern Arch Themurs schien zu Ende zu gehen.
Da durchschnitt eine noch tiefere Schwärze die Dunkelheit über dem Heerlager. Ein Windstoß fegte mit solcher Gewalt über die zahllosen Zelte hinweg, dass einige von ihnen losgerissen wurden und in die Nacht hinauswirbelten. Fackeln erloschen, der Inhalt von Kohlebecken wurde auf nahe stehende Zeltwände geweht, manche fingen Feuer. Eine Staubwolke stand über dem Lager. Der spärliche Lichtschein der noch brennenden Fackeln und Lampen trübte sich ein, als wäre Nebel aufgezogen. Mit einem kaum wahrnehmbaren Knistern schien sich die Luft aufzuladen wie unmittelbar vor dem Einschlag
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