Götterschild
der Echse zu. Sie warfen ihre gefährliche Last ab, worauf das Haupt des Drachen in einem flammenden Inferno verschwand. Ein tiefes, kehliges Fauchen entwand sich dem Drachenmaul. In rascher Folge schnappte es dreimal zu und dreimal brachte es den flüchtenden Angreifern den Tod. Doch schon wieder näherte sich eine Fünfergruppe, diesmal direkt von vorn. Der Drache sah sie. Er riss sein Maul, groß wie ein Scheunentor, weit auf. Völlig unerwartet machte er in der Luft einen Satz auf die Flugwölfe zu. Aber die Gewandtheit der Säbelschwingen überstieg noch die des Drachen. Im letzten Augenblick drehten alle fünf ab, ließen jedoch dabei die tödlichen Bündel, die sie in den Klauen trugen, los. Die scharfen Zähne der Echse verbissen sich noch in der Schwinge eines Flugwolfs, der sich kreischend loszureißen versuchte. Dann explodierte eine fünffache Ladung Feuerblitze innerhalb des geschlossenen Drachenmauls. Die Wucht der Detonation riss den Echsenkopf zunächst nach oben. Der massige Leib wurde schlaff. Die Flügel hörten auf zu schlagen. Der Drache fiel.
Es wirkte geradezu langsam, wie die mächtige Kreatur dem Boden entgegenstürzte. Die lähmende Faszination dieses Anblicks glich jener fatalen Starre, die die Zeugen einer nahenden Naturkatastrophe befällt. Der Verstand braucht Zeit, um eine Gewalt dieser Größenordnung richtig einzuordnen, nicht selten zu viel Zeit – so wie jetzt. Denn der leblose Drachenleib fiel direkt auf das Heerlager herab und erst nach einigen kostbaren Augenblicken wurde klar, dass er einen großen Teil davon unter sich begraben würde.
»Daia!« Meatrils Entsetzensschrei riss auch die anderen aus ihrer Schockstarre. Dennoch konnten sie nicht verhindern, dass er einfach loslief.
»Bleib hier!«, rief ihm Shyrali hinterher. »Das schaffst du nicht.« Dann sprang sie in Deckung.
Ein paar Herzschläge lang herrschte Stille. Dann schlug der gewaltige Körper des Drachen auf. Die Welt schien ihr Innerstes nach außen zu kehren. Die Erschütterung holte jeden von den Füßen, der nicht ohnehin schon flach auf dem Boden lag. Steine und Holzsplitter von zerborstenen Zeltstangen prasselten hernieder wie Pfeilsalven. Eine Dunstglocke verschluckte das letzte bisschen Licht. Absolute Dunkelheit senkte sich über das Lager. Dann herrschte wieder Ruhe. Der letzte Drache der Ostlande lebte nicht mehr.
Es dauerte lange, bis sich zwischen den Trümmern wieder etwas zu regen begann. »Arton, Bruder?« Ardens Stimme klang erstickt. Er musste husten.
»Hier«, erklang eine dumpfe Antwort. »Tarana ist bei mir. Wir sind unverletzt.«
»Weiß jemand, wo Meatril ist?«, ließ sich Targ vernehmen. Doch auf diese Frage hatte niemand eine Antwort und auch Shyrali blieb unauffindbar.
Nach und nach meldeten sich noch andere Überlebende, alles in allem etwa ein Dutzend. Erst jetzt bemerkten sie die zaghafte Helligkeit, die die Welt um sie herum wieder mit Konturen füllte. Unbemerkt hatte der Morgen seine silbergrauen Streifen auf den Horizont gemalt. Eine sanfte Brise vertrieb den lichtfressenden Staub und enthüllte die Reste des kirchlichen Heerlagers, das beinahe gänzlich dem Erdboden gleichgemacht war. Zelte gab es so gut wie keine mehr. Entweder waren sie schon während des Kampfes abgebrannt oder durch die Druckwelle beim Aufschlag des Drachenkörpers hinweggefegt worden. Nur noch verkohltes oder abgesplittertes Gestänge stach aus dem Trümmerfeld hervor. Lediglich ganz im Norden des Heerlagers war noch eine größere Zahl Zelte intakt. Zwischen den Ecorimkämpfern und der Festungsmauer ragte wie eine lang gezogene, glatte Felsformation, die sich spontan aus dem Untergrund erhoben hatte, der Körper der gefallenen Echse auf. Jetzt ließ sich auch erkennen, dass tatsächlich viele der massiven Bolzen der Fardjani ihr Ziel gefunden hatten. Das dichte Schuppenkleid war gespickt mit ihren Schäften. Der Kadaver durchteilte das gesamte Lager in Ost-West-Richtung und bildete eine Barriere zwischen Ardens Kämpfern und dem Rest der königlichen Einheiten. Vereinzelt, staubig und meist ihrer Pferde beraubt, folgten die Überlebenden nun dem Ruf Fendralins, umrundeten in großem Bogen das gewaltige Hindernis und sammelten sich um ihren König.
»Der Fluch der Ostlande ist von uns genommen!«, intonierte plötzlich jemand. Die weittragende, ehrfurchtgebietende Stimme gehörte niemand anderem als dem Citarim. »Sehet das Wunder des Herrn Cit. Sein feuriger Zorn hat uns von dem äonenalten Übel
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