Götterschild
regelmäßig zu Streit und gerade vor Selira schämte sich Rai gehörig, wenn er seine Notdurft in den rostigen Eimer verrichten musste, der ohne jeden Sichtschutz in ihrer Zelle stand. Als beinahe ebenso schlimm empfand er es, wenn er sich wieder einmal bewusst wurde, wie sehr er nach über fünfzig Tagen ohne Waschmöglichkeit stank. Selbst als er noch in den Straßen Tilets zu Hause gewesen war, hatte sich zumindest ab und zu einmal eine Gelegenheit ergeben, sich an einem öffentlichen Brunnen oder dergleichen den gröbsten Schmutz vom Leib zu waschen. Doch hier gab es rein gar nichts. Nach einigen Auseinandersetzungen mit Selira beschlich Rai mittlerweile ohnehin das Gefühl, dass sich ihre Beziehung merklich abzukühlen begann, und nun würde er sie, ungewaschen und übelriechend wie er war, wahrscheinlich endgültig vergraulen.
Rai überlegte gerade, ob er nicht vielleicht einen kleinen Streit mit Targ vom Zaun brechen sollte, nur um wieder ein wenig Zeit totzuschlagen, als plötzlich der Schlüssel im Schloss ihrer Zellentür herumgedreht wurde und diese aufschwang.
Mehrere Bewaffnete tauchten im Türrahmen auf und leuchteten mit ihren Fackeln ins Innere der Zelle, die sonst nur durch das spärliche Licht erhellt wurde, welches durch einen vergitterten Kellerschacht nach unten drang. Nachdem sie sich versichert hatten, dass die Gefangenen keinen Fluchtversuch wagen würden, traten die Wachen zur Seite und an ihnen vorbei stolzierte Megas Arud’Adakin in das Verlies.
»Megas!«, fauchte Targ, kaum dass er seinen Erzfeind erblickt hatte. Meatril legte seinem Freund beruhigend eine Hand auf die Schulter, damit sich der junge Soldarin nicht zu einem unbedachten Angriff hinreißen ließ. Doch Targ merkte dies kaum und funkelte den Inselherrn von Ho’Neb weiter hasserfüllt an: »Es war ja klar, dass du dich nicht ohne Bewacher hier hereintrauen würdest, du hinterhältiger Feigling! Ohne dieses halbe Dutzend Schwertträger in deinem Rücken würdest du diesen Raum auch nicht mehr lebend verlassen.«
Targs Beleidigungen vermochten jedoch nicht mehr zu bewirken, als dass wieder jenes selbstzufriedene Grinsen in Megas’ Gesicht erschien. »Stünde mir der Sinn danach, mich mit euch zu schlagen, dann wäre ich in der Tat alleine hier erschienen, denn mir ist natürlich bewusst, dass ihr es nur in der Überzahl wagen würdet, mich anzugreifen. Allerdings fehlt mir die Muße für einen solchen Zeitvertreib, noch liegt es in meiner Absicht, euch alle zu töten – vorläufig zumindest. Daher dienen mir diese Wachen an der Tür lediglich dazu, Zeit zu sparen und euch von derlei Unvernunft abzuhalten.« Sein Gesicht wurde wieder ernst. »Ich habe nämlich ein paar Fragen, die ich möglichst kurz und präzise beantwortet haben will.«
»Vielleicht verrätst du uns erst einmal, warum du uns eigentlich hier festhältst«, forderte ihn Meatril auf und brachte es dabei fertig, völlig ruhig zu wirken.
»Und vor allem auch, wie lange das noch so weitergehen soll«, setzte Targ hinzu, der die Gelassenheit seines Gefährten gänzlich vermissen ließ. »Wir hätten nämlich alle Wichtigeres zu tun, als in diesem Kellerloch herumzusitzen.«
»Das glaube ich gern«, erwiderte Megas belustigt. »Zum Beispiel nach Tarana und Daia zu suchen, richtig? Aber diese Mühe kann ich euch ersparen, denn ich habe sie mittlerweile gefunden, und es wird nicht mehr lange dauern, bis sie diese hübsche Kammer mit euch teilen werden.«
»Das hast du schon bei unserer Gefangennahme behauptet«, knurrte Targ. »Ist wohl nicht so einfach, jemanden zu fangen, wenn man nicht auf Verrat und Hinterlist setzen kann, hm?« Dabei streifte er Belena mit einem finsteren Seitenblick.
»Tatsächlich erwies es sich als recht kompliziert, Tarana und Daia aufzuspüren«, gab Megas zu, »denn sie haben sich bei diesem Nomadenpack in der Istaebene verkrochen. Durch einen meiner Späher erfuhr ich aber kürzlich, wo die Istanoit lagern, bei denen die beiden Unterschlupf gefunden haben. Ich bin gerade dabei, ein paar meiner besten Truppen aus Ho’Neb einzuschiffen, damit mir diese Viehtreiber keine Schwierigkeiten machen, wenn ich Tarana und Daia bei ihnen abhole.«
Alle Gefangenen schwiegen erschüttert, als sie dies hörten. Doch schließlich rief Targ herausfordernd: »Die Istanoitreiter sind tapfere Streiter. Sie werden dir eine ebenso große Niederlage beibringen wie wir auf Andobras.«
Megas lachte auf. »Wer hatte die größeren Verluste zu beklagen
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