Goettersterben
Ort, um die aktuellsten Neuigkeiten und Gerüchte aufzuschnappen. Wieso war er nicht auf diese Idee gekommen?
Gerade als sie das Ende der Gasse erreicht hatten, vertraten ihnen zwei Männer in dunkelblauen Uniformen und mit Musketen den Weg. Selbst der Größere von beiden war fast einen Kopf kleiner als er selbst, und beide waren weder besonders gut genährt noch in guter Verfassung. Keine Gegner für ihn, nicht einmal in seinem momentanen Zustand, dachte er.
Andrej war nicht sicher, ob er diesen Gedanken nicht sogar laut ausgesprochen hatte; wenn nicht, so musste Abu Dun ihn wohl irgendwie erraten haben, denn er warf ihm einen raschen und fast beschwörenden Blick zu, dann zauberte er ein ebenso breites wie dümmliches Grinsen auf sein schwarzes Mohrengesicht und trat mit weit ausgebreiteten Armen auf die beiden Soldaten zu. »Señores!«, radebrechte er in bewusst schlechtem Spanisch. »Gutes euch treffen! Wo gehen Hafen?« Einer der beiden Soldaten prallte erschrocken vor dem schwarzen Riesen zurück und nahm seine Muskete von der Schulter, der andere brachte immerhin genug Mut auf, Abu Duns imposanter Gestalt entgegenzutreten; auch wenn sein Gesicht unter der Sonnenbräune alle Farbe verlor. Er raunzte den Nubier an: »Wer bist du, Bursche? Was sucht ihr hier am Hafen?«
Abu Dun schauspielerte Verständnislosigkeit und wiederholte nur: »Hafen? Richtige Weg?«
Der Soldat machte eine Geste, von der Andrej nicht ganz sicher war, ob sie tatsächlich Verärgerung ausdrücken oder nur seine Unsicherheit überspielen sollte, setzte zu einer geharnischten Entgegnung an und besann sich dann eines Besseren, indem er sich an Andrej wandte. »Du da! Sprichst du unsere Sprache besser als dieser Dummkopf?«
»Etwas, wenn ich mir Mühe gebe«, antwortete Andrej, nicht nur in perfektem Spanisch, sondern auch dem in diesem Teil des Landes geläufigen Dialekt. Er sah, wie der zweite Soldat, der gerade so erschrocken vor Abu Dun zurückgewichen war, mit fliegenden Fingern an seiner Muskete herumfummelte, um die Waffe schussbereit zu machen. Vor lauter Nervosität gelang es ihm nicht.
»Dann wirst du mir meine Fragen beantworten«, fuhr der Soldat fort. »Was sucht ihr hier? Und was hast du mit diesem Muselmanen zu schaffen? Zeigt mir eure Papiere!«
»Papiere?«, wiederholte Andrej. »Was für Papiere?« »Eure Legitimation! Niemand betritt den Hafen, ohne die entsprechenden Papiere vorzuweisen«, belehrte ihn der Soldat. Eben noch erschrocken, musterte er jetzt misstrauisch die beiden Freunde. »Wenn ihr keine habt, dann solltest du besser eine gute Ausrede dafür haben, hier herumzuschnüffeln, noch dazu in Begleitung von demda!«
Er deutete auf Abu Dun, und hinter Andrej erklang ein leises, amüsiertes Lachen. »Mein Kompliment, Sergeant. Da habt Ihr ja einen ganz besonders guten Fang gemacht, wie mir scheint. Ganz zweifellos sehen diese beiden aus wie die typischen britischen Spione.« Andrej drehte sich um und erkannte überrascht einen in eine tadellos sitzende Uniform gekleideten, weißhaarigen Marineoffizier, der gemächlich auf sie zugeschlendert kam. »Colonel Rodriguez?«
»Ihr habt Euch meinen Namen gemerkt«, sagte Rodriguez anerkennend. »Das nehme ich einmal als Kompliment.« Er lachte erneut, leise und gutmütig. »Wie es scheint, ist es wohl mein Schicksal, Euch und Euren Freund unentwegt vor übereifrigen jungen Soldaten zu retten.« Er wartete Andrejs Antwort nicht erst ab, sondern kam näher und wandte sich dann mit einer sachten, doch keinen Widerspruch duldenden Geste an den Sergeant. »Es ist alles in Ordnung, Sergeant. Ich kenne die beiden. Sie sind vertrauenswürdig. Geht und setzt Eure Runde fort – und seid weiter so wachsam wie bisher. Ich werde das lobend bei Eurem Vorgesetzten erwähnen.«
Der Soldat wirkte ein wenig unentschlossen, fand Andrej, aber schließlich nickte er, fuhr auf dem Absatz herum und verschwand so schnell, dass sein Kamerad Mühe hatte, ihm zu folgen und dabei nicht über seine eigenen Füße zu stolpern. Rodriguez sah den beiden kopfschüttelnd nach.
»Kinder«, seufzte er, kaum dass sie verschwunden waren. »Es ist immer dasselbe. Man sollte Kinder nicht die Arbeit von Männern tun lassen … und sie schon gar nicht in eine Uniform stecken und ihnen eine Waffe geben, wenn sie noch nicht einmal richtig trocken hinter den Ohren sind.«
Andrej, der nicht genau wusste, was er mit diesen Worten anfangen sollte, oder ob sie überhaupt für ihn gedacht waren, zwang ein verlegenes
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