Goettersterben
einem neuen Schiff alle Kleinigkeiten und Schlampereien beseitigt sind. Leider hat die EL CID diese Zeit nicht.«
»Eine Seeschlacht ist kein guter Moment, um festzustellen, dass jemand an Teer und Dichtungshanf gespart hat«, pflichtete ihm Abu Dun bei.
»Ich werde jedenfalls weder an Teer noch an Federn sparen, wenn ihr noch lang hier herumsitzt und meine und die Zeit des Königs stehlt«, grollte Pedro. »Dafür aber ganz bestimmt an eurem Lohn. Seid ihr immer noch nicht weg? Geht an Bord! Der zweite Maat weiß Bescheid und zeigt euch, was zu tun ist.«
Er wartete nicht einmal ab, ob sie seinem Befehl nachkamen, sondern fuhr auf dem Absatz herum und stampfte davon. Abu Dun, der nur mühsam ein Grinsen unterdrückte, ließ etliche Sekunden verstreichen, bevor er aufstand und wieder in Richtung des Schiffes schlurfte. Sie waren nicht nur die Ersten, die an Bord gingen, sondern auch die Einzigen, die es mit leeren Händen taten. Die endlose Kette von Männern, die sich hinter ihnen die schmale (und geländerlose) Planke hinaufquälte, ging gebeugt unter derselben Last, die auch Abu Dun und er den ganzen Vormittag über getragen hatten, und Andrej brauchte keine Fantasie, um sich vorzustellen, dass sie auf der Beliebtheitsskala der Männer soeben noch einmal ein gutes Stück nach unten gerutscht waren.
Dies war das erste Mal, dass sie die EL CID betraten und Andrej nicht unter einer Last stöhnte, die selbst seine Kräfte beinahe überstieg, und er somit die Muße hatte, sich mehr als nur flüchtig umzusehen. Tatsächlich hatten sie von dem gewaltigen Schiff kaum mehr als diverse Treppen und Abstiege gesehen, während sie auf Schritt und Tritt misstrauisch von den zahlreichen Wachen beobachtet worden waren.
Jetzt wandte sich Abu Dun rasch an einen eben dieser Wachsoldaten. »Wo finden wir den zweiten Maat?«, fragte er.
Der Mann maß zuerst Andrej und dann ihn mit einem langen prüfenden Blick und erwog offensichtlich etliche verschiedene – aber allesamt abfällige – Antworten, beließ es aber dann bei einem knappen: »Warum?« Abu Dun erklärte es ihm. »Wartet hier«, raunzte der Soldat, nachdem er beide noch einmal von oben bis unten gemustert hatte. »Und rührt euch nicht von der Stelle.« Ohne ein weiteres Wort schulterte er sein Gewehr und ging, um den Maat zu holen – allerdings nicht, ohne vorher zwei anderen Posten einen verstohlenen Wink gegeben zu haben, woraufhin diese wie zufällig näher kamen und rechts und links von ihnen Aufstellung nahmen.
»Man könnte meinen, die guten Leute hier trauen uns nicht«, witzelte Abu Dun.
»So vertrauenswürdig, wie du aussiehst?«, gab Andrej zurück. »Unmöglich!«
Abu Dun zog eine Grimasse.
Andrej trat an die gegenüberliegende Reling, von wo er einen ausgezeichneten Blick über den Rest der Flotte hatte. Das allererste Schiff allerdings, auf das sein Blick fiel, war eine schlanke Galeere, die längsseits des Linienschiffes lag und an der ununterbrochen gewerkelt und gehämmert wurde. Seltsam … er hatte sich zwar gestern nicht die Mühe gemacht, sich die Position jedes einzelnen Schiffes zu merken, aber dennoch war er sicher, dass die Ninja am anderen Ende des Kais gelegen hatte.
Aber vielleicht hatte er sich getäuscht.
Hinter ihm erklangen zackig-militärische Schritte und das Klimpern von Metall. Die beiden Soldaten, die Abu Dun und ihn bewachten, waren nicht mehr die Einzigen an Deck, die Uniformen trugen. Über eine breite Planke, die ein sorgsam geflochtenes Geländer auf beiden Seiten hatte, kam gerade in diesem Moment eine ganze Abteilung Soldaten, größtenteils hochrangige Offiziere, an Deck. Einer von ihnen, von dem er nicht nur wegen der Ordensspangen und Abzeichen auf seiner Brust und den goldenen Epauletten auf seinen Schultern annahm, dass es sich um den Höchstrangigen handelte, erregte seine Aufmerksamkeit. Der Mann war sehr groß – sicherlich größer als er selbst, wenn nicht sogar so groß wie Abu Dun – und von schlankem, aber kräftigem Wuchs. Er hatte schwarzes, kurz geschnittenes Haar, das glatt und glänzend wie eine lackierte Kappe auf seinem Schädel lag, ein kräftiges, glatt rasiertes Kinn und markante Züge, und selbst über die große Entfernung hinweg und ohne dass sich ihre Blicke begegneten, spürte Andrej, wie wach seine Augen waren. Lachend plauderte er mit seinen Begleitern, aber Andrej hatte das Gefühl, dass all das nichts als Fassade war. In Wahrheit entging diesem Mann nichts.
Von Abu Dun und ihm schien er
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