Goettersterben
Schiff läuft voll.« »Ein paar Eimer Wasser, die sich in der Bilge gesammelt haben«, sagte der Maat mit einer wegwerfenden Geste. »Zeigt mir ein Schiff auf der Welt, bei dem das nicht so ist. Ein bisschen Hanf und Teer, und die Sache ist erledigt.«
»Warum schickst du uns dann da runter?«, erkundigte sich Abu Dun harmlos.
»Wie gesagt: Das hier wird in wenigen Tagen das Flaggschiff der Armada sein«, antwortete der Maat. »Wo kommen wir hin, wenn sich ein Admiral oder ein Mitglied des Adels kalte Füße holt, weil es feucht von unten heraufzieht, oder er am Ende gar noch einen Schnupfen kriegt und das gepuderte Näschen läuft?«
Sie standen vor einer weiteren Klappe, unter der sie keine Treppe erwartete, sondern eine fast senkrecht in die Tiefe führende Leiter. Salzwassergeruch und Kälte schlug ihnen entgegen und ein ganz sachter moderiger Hauch.
Andrej wartete darauf, dass der Maat auch jetzt vorausging, aber der trat einen Schritt zurück und machte eine einladende Geste. »Fragt die Männer an den Pumpen. Sie werden euch sagen, was zu tun ist. Wenn ihr fertig seid, meldet euch bei mir. Ich habe dann noch eine andere Aufgabe für euch.«
Andrej schien es, als füge er in Gedanken hinzu: Wenn ihr dann noch am Leben seid.
»Pumpen?«, murmelte Abu Dun. »Wo es doch nur ein paar Eimer Wasser sind?«
Der Maat würdigte ihn keiner Antwort, sondern ging. Die beiden Wachen, die sie herunterbegleitet hatten, blieben. Sie wirkten nervös.
Diesmal war es Abu Dun, der eine spöttisch-einladende Geste auf die offen stehende Luke machte. Andrej schnitt ihm genau die Grimasse, die er verdiente, griff aber trotzdem nach dem Ende der Leiter und kletterte rasch in die Tiefe. Unten angekommen, musste er einen hastigen Schritt zur Seite machen, als Abu Dun die guten drei oder vier Meter kurzerhand zu ihm heruntersprang. »Angeber«, maulte Andrej.
»Das kommt dir nur so vor«, sagte Abu Dun. »Heute.« Er lauschte. »Dort hinten höre ich Wasser«, sagte er. »Gehen wir.«
Sein Gehör hatte ihn nicht getäuscht. Sie mussten zwei weitere Räume durchqueren und eine weitere, kurze Treppe hinunterklettern, bis sie in eine Kammer gelangten, deren Decke so niedrig war, dass auch Andrej nicht mehr aufrecht stehen konnte. Er stand knöcheltief im Wasser. Die Luft war eisig, und es roch so schlecht, dass Andrej schon wieder gegen eine leise Übelkeit ankämpfen musste. Das einzige Licht kam von einer trüben Petroleumlampe mit gesprungenem Glas, die aber mehr Schatten als Helligkeit zu verbreiten schien. Abu Dun deutete nach links, wo eine von vier schwitzenden Männern bediente Hebelpumpe stand. Sie waren am Ziel. »Was habt ihr hier unten zu suchen?«, fuhr sie ein fünfter Mann an, ein grobschlächtiger Bursche mit kleinen Augen und schwieligen Pranken, die er zu Fäusten geballt hatte. »Hier unten hat niemand …«
»Der Maat schickt uns«, unterbrach ihn Abu Dun. »Wir sollen hier irgendetwas reparieren, das Bilge heißt.« Der Mann riss verblüfft die Augen auf, und zwei der vier anderen hielten für einen Moment mit dem Punpen inne. »Etwas, das Bilge heißt?«, wiederholte er verwirrt. Dann wandte er sich an Andrej. »Gehört der Dummkopf zu dir?«
»Ja«, antwortete Andrej. »Und er ist ein ziemlich starker Dummkopf, nebenbei bemerkt.«
Auch wenn diese Worte in seinen Ohren herausfordernd klingen mussten, kam der Bursche nach einem langen Blick auf Abu Dun zu der Einsicht, dass jetzt der rechte Moment für Diplomatie war.
»Etwas, das sich Bilge nennt«, wiederholte er, kopfschüttelnd und mit einem breiten Grinsen. »Ja, so kann man es auch nennen. Kommt mit.«
Noch immer leise vor sich hin glucksend, wandte er sich um, bedeutete ihnen mit einer amüsierten Geste, ihm zu folgen, und schlurfte voraus. Die Männer an der Pumpe nahmen ihre Arbeit wieder auf, und im Vorbeigehen glaubte Andrej, für ihn unerklärlich, Mitleid in ihren Augen zu sehen.
Nur einen Moment später verstand er warum. Sie traten durch eine weitere Tür, die so niedrig war, dass Abu Dun Mühe hatte, sich unter dem Rahmen hindurchzubücken, und standen jetzt wadenhoch im Wasser. Vor ihnen gähnte eine weitere Klappe im Boden. Sie lag eine gute Handspanne tief unter Wasser. Eine von Abu Duns Handspannen.
»Was … ist das?«, fragte Andrej. Plötzlich überkam ihn ein ungutes Gefühl.
»Das«, antwortete der Mann feixend, »nennt man eine Bilge.«
»Oh«, murmelte Abu Dun.
»Sie steht unter Wasser«, sagte Andrej.
»Und genau deshalb seid ihr beiden
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