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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hier«, sagte der Mann. Er gab sich nicht einmal mehr Mühe, seine Schadenfreude zu verhehlen. »Jemand muss da runter und das Loch stopfen.«
»Das Loch?«, wiederholte Abu Dun.
»Stopfen?«, fügte Andrej hinzu.
»Dort unten?«, schloss Abu Dun.
»Ist halb so schlimm«, versicherte der Mann treuherzig, »mein dreijähriger Sohn könnte es.«
»Und warum macht er es dann nicht und verdient sich ein Taschengeld?«, murmelte Abu Dun. Die Worte waren nur für ihn selbst bestimmt und geflüstert, aber der hünenhafte Matrose hatte sie trotzdem verstanden. »Weil ich mich nicht entscheiden kann, welchem meiner Söhne ich diesen Extraverdienst zukommen lassen sollte«, antwortete er grienend. »Außerdem hätten ihre diversen Mütter etwas dagegen.« Er machte eine Bewegung, wie um das Thema beiseitezuwischen, deutete auf die unter Wasser liegende Luke und fuhr in verändertem Ton fort: »Es ist halb so schlimm. Die Bilge ist nicht tief, und die undichte Stelle liegt fast genau unter der Luke. Einer von euch muss da rein und das Leck mit Hanf und Werg abdichten, nur weit genug, dass weniger Wasser nachfließt, als die Pumpe hinausschafft. Sobald der Wasserspiegel gesunken ist, erledigen meine Männer den Rest. Wenn ihr nicht zu lange trödelt, schafft ihr es in einer halben Stunde.«
»Dort unten?«, vergewisserte sich Andrej noch einmal. »Du musst nichts sehen«, sagte der Matrose, der Andrejs nächsten Einwand wohl vorausgesehen hatte. »Die lose Planke liegt direkt unter der Luke. Du kannst den Spalt fühlen. Stopf ihn zu, bis ihr seht, dass der Wasserspiegel sinkt, das reicht.« Er bückte sich, wobei er ein Ächzen wie das eines mindestens doppelt so alten Mannes hören ließ, tauchte beide Hände ins Wasser und hielt dann ein halb gespleißtes Tauende hoch, als er sich wieder aufrichtete. »Bind dir das um«, sagte er. »Dein Freund kann dich rausziehen, wenn irgendetwas nicht stimmt. Und ich bleibe vorsichtshalber hier und passe auf.«
»Warum habt ihr das Leck nicht längst geflickt?«, fragte Abu Dun, während er Andrej das Tauende um die Taille wickelte. Er fragte ihn gar nicht erst, ob er derjenige sein wollte, der in das eisige Wasser hinabtauchte, sondern zog das Tau so fest, dass Andrej kaum noch Luft bekam. »Weil es den hohen Herren ja nicht schnell genug gehen konnte, ihr neues Schreckgespenst zu Wasser zu lassen!«, ereiferte sich der Mann. »Ich habe von Anfang an gesagt, dass das Schiff noch nicht fertig ist, aber auf mich hört ja niemand! Eine Woche länger in der Werft, und alles wäre in Ordnung gewesen. So leckt diese Señorita an allen Ecken, und meine Männer und ich können sehen, wie wir das Schlimmste verhindern!« »Das Schiff könnte immerhin sinken«, gab Andrej zu bedenken, erntete aber nur ein abfälliges Kopfschütteln. »Wegen dem bisschen Wasser? Kaum. Da unten gibt es ein Dutzend Zwischenwände, die halten … noch.« »Aber du hast Angst, dass das nicht mehr lange so bleibt«, vermutete Abu Dun. »Famoses Schiffchen.«
    Der Mann überzeugte sich pedantisch vom festen Sitz des Knotens um Andrejs Hüfte und drückte Abu Dun das andere Ende des nassen Seils in die Hand. »Du tauchst am besten erst einmal nach unten, um dich zu orientieren. Ich hole inzwischen alles, was du brauchst.« »Alles, was ich brauche?«, wiederholte Andrej verdutzt. »Was meint er denn damit?«
»Warum siehst du nicht einfach nach?«, schlug Abu Dun vor und versetzte ihm einen Stoß, der ihn haltlos mit den Armen rudernd in die offen stehende Luke stolpern ließ.
Das Wasser war so kalt, dass ihm augenblicklich die Luft wegblieb. Andrej tauchte unter, spürte, wie sein Herz einen Moment aussetzte und dann doppelt so schnell und unregelmäßig weiterhämmerte. Er schoss beinahe schneller aus dem Wasser wieder heraus, als er hineingestürzt war, sank mit einem gewaltigen Platschen wieder zurück und schlug absichtlich mit den flachen Händen auf das Wasser, damit Abu Dun wenigstens ein paar Spritzer abbekam.
Doch das schien den Nubier nicht zu stören. »Das ging schnell«, sagte er anerkennend, während er sich mit dem Handrücken die wenigen Tropfen aus dem Gesicht wischte, die ihr Ziel getroffen hatten. »Muss ein großes Loch sein.«
Andrej bespritzte ihn noch einmal mit Wasser. »Jedenfalls ist es dunkel«, sagte er. »Und verflucht kalt.« Er tauchte noch einmal bis zu den Schultern unter, um sich an die eisige Temperatur zu gewöhnen, schnallte unter Wasser den Schwertgurt ab und wickelte ihn in seinen

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