Goettersterben
zu Hilfe nehmen, um den zähen Stoff zu zerteilen, und fand einen der beiden toten Verbrecher. Wenige Augenblicke später fand er den zweiten Delinquenten. Der dritte Jutesack, den er aus dem lockeren Erdreich zog, war leer.
»Hinter dir, Hexenmeister. Nur ein paar Schritte.« Abu Dun war lautlos hinter ihn getreten, und während Andrej sich aufrichtete und dem Nubier folgte, bemerkte er, dass dieser den Säbel nun wieder am Gürtel trug, nicht mehr in der Hand.
Obwohl ihn der charakteristische Geruch leitete, wäre er um ein Haar über die toten Soldaten gestolpert. Wenigstens waren es nur zwei, nicht sechs, wie er insgeheim befürchtet hatte. Wahrscheinlich hatten sie um die undankbare Aufgabe geknobelt, wer von ihnen hierbleiben musste, um die Toten zu begraben. Ihre Kehlen waren aufgerissen, und in ihren Augen stand derselbe Ausdruck namenlosen Entsetzens, den er schon in denen des toten Maats gesehen hatte.
»Das ging schneller, als ich erwartet hatte«, sagte er. »Er muss ziemlich wütend gewesen sein«, pflichtete ihm Abu Dun bei. Er kniete neben einem der toten Soldaten nieder, berührte die Wunde an seinem Hals und roch dann an seinen Fingerspitzen. Der Anblick beunruhigte Andrej. Abu Dun sollte das nicht tun. Gleichzeitig war es fast mehr, als er ertragen konnte. Er wollte dieses Blut. Er brauchte es.
Abu Dun sah ihn an, als hätte er seine Gedanken gelesen, und wischte sich die Finger am Mantel ab. »Es ist mindestens zwei Stunden her, wenn nicht drei«, sagte er. »Der Kerl ist längst weg.«
»Wie du schon gesagt hast«, antwortete Andrej. Selbst das Sprechen fiel ihm schwer. Fast überstieg es seine Kräfte, den Blick von den Kehlen der beiden Männer loszureißen.
Nein. Daran wollte er nicht einmal denken.
»Wir sollten deinem neuen Freund Bescheid sagen«, sagte er mit belegter Stimme. »Besser, er erfährt es von uns, bevor ihm jemand erzählt, dass wir es waren.« Schneller, als sie gekommen waren, machten sie sich auf den Rückweg zur Stadt. Das gewaltige Tor war geschlossen, aber Andrej konnte die misstrauischen Blicke eines Dutzends Augenpaare spüren, die ihnen folgten; zusammen mit vermutlich ebenso vielen Musketenläufen. Gerade, als er die Hand heben wollte, um gegen das Tor zu hämmern, wurde eine schmale Tür links von ihnen geöffnet, und Rodriguez‘ Adjutant winkte sie herein.
»Das ging schnell«, sagte er, während Andrej an ihm vorbeischlüpfte.
Andrej wartete, bis auch Abu Dun hereingekommen war und Bresto das Schlupftor hinter ihm geschlossen hatte, bevor er antwortete: »Es gibt nichts mehr für uns dort draußen zu tun.«
»Wie wollt Ihr einen Krieg gewinnen, wenn Euch nicht einmal auffällt, dass Euch einige Soldaten abhanden kommen?«, erkundigte sich Abu Dun.
»Abhanden kommen?«, wiederholte Bresto. Er sah jetzt so hilflos aus, dass er Andrej beinahe leid tat.
Aber nur beinahe.
»Ist niemandem aufgefallen, dass die Männer nicht zurückgekommen sind?«
»Welche Männer, Abu Dun?«, murmelte Bresto. Andrej fragte sich, ob er den Begriffsstutzigen nur spielte oder wirklich nicht verstand.
»Die beiden, die ihr losgeschickt habt, um die Toten zu verscharren«, sagte Abu Dun. Bresto fuhr auf dem Absatz herum und wandte sich an die beiden Soldaten, die ein paar Schritte entfernt im Schatten standen. »Ist das wahr?«
»Wenn, dann muss es vor unserer Wache gewesen sein«, antwortete einer der Soldaten hastig.
»Wir sind erst seit Sonnenuntergang hier«, fügte der andere hinzu. Obwohl Andrej spürte, dass sie die Wahrheit sagten, klangen sie sehr unruhig.
»Und es ist niemandem aufgefallen, dass sie sich nicht zurückgemeldet haben?«, fragte Bresto, wartete aber die Antwort des unglückseligen Postens gar nicht ab, sondern wandte sich in herrischem Ton an Andrej. »Ihr habt sie gefunden? Wo sind sie? Wieso kommen sie nicht zurück?«
»Noch auf dem Friedhof«, antwortete Abu Dun. »Und ich glaube nicht, dass es Euch wirklich gefallen würde, wenn sie zurückkämen, Lieutenant.«
»Wieso?«, fragte Bresto lauernd.
»Weil sie tot sind«, antwortete Andrej.
Bresto starrte ihn an. »Tot?«
»Jemand hat ihnen die Kehlen durchgeschnitten«, bestätigte Andrej ruhig, »schon vor einigen Stunden, wie es aussieht.«
»Tot?«, wiederholte Bresto verstört. »Aber wieso … ich meine, was …?« Dann fuhr er herum und deutete so schnell und drohend wie mit einer Waffe mit dem ausgestreckten Arm auf den am nächsten stehenden Soldaten. »Schlagt Alarm! Wir müssen den Friedhof abriegeln und
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