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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Wollt Ihr immer noch Blut sehen, oder lieber Eurem Befehl nachkommen und diesen Mann lebend zu Don de Castello bringen?«
Bresto war immerhin klug genug, nicht darauf zu antworten, und Rodriguez warf ihm noch einen abschließenden eisigen Blick zu und wandte sich dann an Abu Dun. »Wenn ich Euch um Eure Waffe bitten dürfte, Señor?«
Abu Dun starrte ihn aus blutunterlaufenen, betrunkenen Augen an, zog ungeschickt den Säbel und reichte ihn Rodriguez mit dem Griff voran. Dabei stellte er sich so ungeschickt an, dass die Waffe seinen Fingern entglitt. Rodriguez tat den Teufel, danach zu greifen, aber sein Adjutant war dumm genug, instinktiv die Hand nach dem gewaltigen Säbel auszustrecken. Er hatte Glück und büßte dabei keinen Finger oder etwa gleich die ganze Hand ein, wurde aber vom enormen Gewicht der Waffe nach vorne gerissen und wäre um ein Haar gestürzt. Rodriguez’ Blick wurde noch eisiger, und Bresto beeilte sich, den Säbel (mit beiden Händen) aufzuheben und an den kräftigsten seiner Männer weiterzureichen.
»Müssen wir Euch in Ketten legen, Señor, oder habe ich Euer Wort, dass Ihr uns widerstandslos folgt?«, wandte sich Rodriguez an Abu Dun.
»Daschschisch … kein … Boblem«, nuschelte Abu Dun. Er wankte ein bisschen, klaubte den abgebrochenen Henkel des Bierkruges aus dem Scherbenhaufen und starrte ihn einen Moment lang verdutzt an, als verstünde er nicht, wo der Rest geblieben war.
»Ihr habt den Mann gehört, Lieutenant«, sagte Rodriguez. Erneut lieferte sich Bresto einen winzigen Moment lang ein stummes Blickeduell mit ihm (das er auch diesmal verlor), dann wandte er sich trotzig an die Soldaten hinter sich und befahl ihnen, Abu Dun in ihre Mitte zu nehmen. Gleich vier von ihnen führten ihn hinaus, wobei sie sich allerdings hüteten, den Nubier zu berühren. Andrej fragte sich mit kühlem Interesse, was geschehen wäre, hätten sie tatsächlich versucht, ihn in Ketten zu legen; und er verspürte sogar ein sachtes Bedauern, es nie zu erfahren.
»Liegt sonst noch etwas an, Lieutenant?«, fragte Rodriguez, nachdem Abu Dun und seine Eskorte den Goldenen Eber verlassen hatten und Bresto immer noch keine Anstalten machte zu gehen.
»Nein«, antwortete Bresto hastig. »Es … es ist nur so, dass …« Er brach ab, fuhr sich nervös mit dem Handrücken über das Kinn und trat immer rascher von einem Fuß auf den anderen, als führe er einen albernen Tanz zum Klang unhörbarer Musik auf.
»Ja?«, fragte Rodriguez lauernd.
»Ich habe auch Befehl, Euch … ähm … zu Don de Castello zu bringen«, murmelte er.
»In Ketten oder nur mit Stricken gebunden?«, erkundigte sich Rodriguez.
»Colonel, ich bitte Euch!«, sagte Bresto erschrocken. »Don de Castello möchte nur mit Euch reden, das ist alles. Aber er hat darauf bestanden, dass Ihr so schnell wie möglich zu ihm gebracht werdet … zu ihm kommt, meine ich natürlich.«
»Natürlich«, sagte Rodriguez spöttisch. »Dann wollen wir den edlen Don de Castello nicht länger warten lassen als unbedingt nötig, nicht wahr? Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich meinen Degen behalte, Lieutenant?«
Bresto blickte gequält. »Colonel, ich … ich tue nur, was man mir befohlen hat.«
»Ja, das ändert natürlich alles«, sagte Rodriguez grimmig. »Dann lasst uns gehen, Lieutenant.«
Er fuhr auf dem Absatz herum und ging so schnell, dass Bresto und seine beiden verbliebenen Männer alle Mühe hatten, ihm zu folgen.
Andrej zählte in Gedanken langsam bis zehn, bevor er den Goldenen Eber auf demselben Weg verließ, auf dem er hereingekommen war.

12

D
    er kleine Umweg hatte ihn mehr Zeit gekostet, als er erwartet hatte. Rodriguez und die drei Männer, die vermutlich nicht einmal selbst genau wussten, ob sie den Colonel nun eskortierten oder abführten, hatten das Ende der Straße beinahe erreicht, und hätte nicht einer der Männer eine Fackel getragen, hätte er sie beinahe übersehen. Von Abu Dun und seinen Begleitern war gar nichts mehr zu sehen. Andrej hätte erwartet, sie zur Stadtmitte gehen zu sehen, in der nicht nur die vornehmeren Gebäude standen, sondern auch die der Stadtverwaltung und die Zitadelle. Doch die Männer hatten den Weg zum Hafen zurück eingeschlagen.
    Andrej achtete peinlich genau darauf, diesmal nicht gesehen zu werden, wich jedem noch so leisen Atemzug und jedem verdächtigen Schatten aus und folgte den vier Männern in großem Abstand, ohne dass er den Anschluss verlor.
Tatsächlich brachte Bresto den Colonel zum Hafen zurück.

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