Goettersterben
Krug mit einem letzten gluckernden Schluck leerte, ihn so wuchtig auf die Tischplatte vor sich rammte, dass er in Stücke brach, und zugleich ungelenk an seinem Schwertgriff fummelte.
»Wenn er die Waffe zieht, erschießt ihn«, sagte Bresto. »Das wird nicht nötig sein, Lieutenant!« Rodriguez trat an Andrej vorbei, bevor er ihn zurückhalten konnte, und ging mit schnellen Schritten auf Bresto zu. Als er Andrej passierte, flüsterte er: »Geht zur Ninja . Don Miguel wird Euch verstecken.« Lauter, fast schon schreiend, wandte er sich direkt an seinen Adjutanten. »Was geht hier vor, Lieutenant? Was hat das zu bedeuten? Ich habe Euch angewiesen, diesen Mann zu suchen und zu Don de Castello zu bringen, nicht ihn umzubringen! Wir brauchen ihn lebend! Oder seid Ihr etwa dazu imstande, einen toten Mann zu verhören?«
Bresto fuhr auf dem Absatz herum, einen Moment lang unschlüssig, vor wem er mehr Angst haben sollte: dem riesigen Nubier, der ihn wie ein Turm aus Fleisch überragte und dessen Schwert allein länger war als er groß, oder seinem vor Zorn brodelnden Vorgesetzten. Schließlich rettete er sich in den Mut aller im Grunde feiger Männer, den Trotz.
»Dieser Mann ist gefährlich, Colonel«, sagte er herausfordernd. »Ich kann nicht das Leben meiner Männer riskieren, um …«
»Genau genommen«, schnitt ihm Rodriguez das Wort ab, »sind es meine Männer, Lieutenan t – zumindest noch –, und ich sehe auch nicht die Gefahr, in der ihre Leben angeblich schweben. Seht ihn Euch doch an! Der Bursche ist doch so betrunken, dass er kaum noch stehen kann! Wem sollte er wohl gefährlich werden, Eurer Meinung nach?«
»Er weigert sich, das Versteck seines Freundes zu nennen, Colonel!«, antwortete Bresto trotzig.
»So, tut er das?« Rodriguez seufzte, warf stirnrunzelnd einen langen Blick auf den zerbrochenen Krug und die Lache aus schalem Bier und schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle, dass er sich noch an seinen eigenen Namen erinnern kann.«
»Colonel«, sagte Bresto nervös, »ich muss darauf bestehen –«
»Worauf?« Rodriguez fuhr auf dem Absatz herum und funkelte den einen Kopf größeren Bresto so wütend an, dass der unglückselige Junge zu schrumpfen schien. Andrej riskierte es, ein kleines Stück aus seinem Versteck herauszutreten und Abu Duns Blick zu suchen. Niemand sah in seine Richtung. Rodriguez und sein aufmüpfiger Adjutant waren damit beschäftigt, sich gegenseitig niederzustarren, und die wenigen Gäste, die es nicht vorgezogen hatten, angesichts so viel geballter Obrigkeit das Weite zu suchen, waren ganz auf Abu Dun und die beiden ungleichen Kampfhähne konzentriert und schlossen vermutlich schon Wetten auf den Ausgang des Kampfes ab. Abu Dun spielte so perfekt den Betrunkenen, dass selbst Andrej Mühe gehabt hätte, diese Rolle zu durchschauen, hätte er nicht gewusst, dass der Nubier sich nicht betrinken konnte; jedenfalls nicht so schnell und nicht so gründlich. Dennoch schien er Andrejs Blicke zu spüren. Er nickte unmerklich, und seine Linke machte eine ebenso leichte, komplizierte Abfolge von Bewegungen, die für niemanden einen Sinn ergeben hätte, in Wahrheit eine Nachricht in der Zeichensprache darstellte, die sie schon vor langer Zeit miteinander ausgemacht hatten. Verschwinde.Ichweiß,wasichtue. Und so war es wohl auch. Abu Dun wäre nicht mehr hier und die Hälfte der Soldaten samt ihres kindlichen Anführers tot, wenn er es nicht ausdrücklich gewollt hätte. Er wich auch gehorsam wieder in die verhüllenden Schatten zurück und nahm sogar die Hand vom Schwert; trotzdem gefiel ihm Abu Duns Plan mit jeder Sekunde weniger. Abu Dun wusste nicht, was er wusste. Er hatte Loki gegenübergestanden, und es war ein vollkommen anderer Loki gewesen als der, den sie in der eisigen Hölle hinter dem Ende der Welt kennengelernt hatten. Böser. Gnadenloser. Und unendlich mächtiger. Er hatte gespürt, dass er nicht einfach nur einem weiteren Unsterblichen gegenüberstand, sondern einem Gott.
Andrej überlegte einen Moment lang angestrengt und kam dann zu einem Entschluss: Er würde Abu Dun seinen Willen lassen, aber ganz gewiss nicht zu diesem dubiosen Galeerenkapitän gehen und sich dort verkriechen, sondern den Nubier im Auge behalten. Und damit auch Loki.
»Nun, Lieutenant?«, fuhr Rodriguez mit schneidender Stimme fort, als Bresto auch nach einer geraumen Weile noch nicht antwortete, sondern nur immer unbehaglicher von einem Fuß auf den anderen trat, seinem Blick aber trotzdem standhielt.
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