Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
aus den Lochgefängnissen.
Rowen blieb dem jungen Parolenschreiber die Antwort schuldig, stürmte zur Tür und ging in die Knie. Gerade als er die Arme ausgebreitet hatte, sprang Clodia auch schon hinein. Domitia folgte ihrer Schwester sogleich und ihr Schwung riss ihn rücklings zu Boden.
Danke, danke, danke, durchfuhr es ihn.
Er drückte sein Gesicht in die Haarflut seiner Schwestern, trocknete er seine Freudentränen.
»Euch geht es gut«, hauchte er. »Euch geht es doch gut, oder?«
Er nahm Clodias Gesicht in beide Hände und betrachtete sie. Die scharlachroten Äderchen hatten sich ausgeweitet und verzweigt wie das Geäst eines Baums. Auch ihre Augäpfel waren gerötet und angeschwollen. Ansonsten zeigte sie keinerlei Symptome, das Mittel war ihr rechtzeitig verabreicht worden – Orchon sei Dank!
Rowen griff unter seine Tunika und holte Clodias Puppe hervor, die er die ganze Zeit über dort verborgen gehalten hatte. »Hier, schau mal, wen ich habe! Ich habe auf sie aufgepasst.«
»Oh!« Nur um den Ausdruck zu sehen, der sich jetzt über Clodias Züge breitete, hätte Rowen auch zehn Becher Wein mit Spitzmandelpulver getrunken.
»Da sind vermummte Männer gekommen, kurz nachdem du weg warst.« Domitia sprach so schnell, dass sich ihre Worte förmlich gegenseitig aus ihrem Mund jagten. »Sie haben uns gepackt und uns Säcke über den Kopf gezogen. Ich wollte noch wegrennen, aber sie waren schnell und stark und plötzlich überall.«
»Schon gut, du warst ganz tapfer.« Rowen strich ihr durchs Haar. Wenn er diesen Marentius noch einmal in die Finger kriegen würde, würde er seine guten Manieren vergessen.
»Die haben kein Wort mit uns geredet«, flüsterte Clodia. Ihr Blick ging ins Leere. »Auf einmal ging die Tür zu dem Raum auf, wo wir eingesperrt waren, und sie haben uns weggetragen, mehr nichts. Immer nur geschwiegen und geschwiegen haben sie.«
Gönnerhaft die Arme ausgebreitet, stolzierte Salus in die Folterkammer, dicht gefolgt von seinem Schatten Jolla. Der Muskelberg hatte ein Bündel geschultert, in dem ohne Weiteres noch ein drittes Kind stecken konnte.
»Die Familie Maus – glücklich wieder vereint!«, rief Salus.
»Habt ihr euch denn schon bei eurem Retter bedankt?«, raunte Rowen seinen Schwestern zu.
Schuldbewusst schüttelten die beiden den Kopf, wandten sich sogleich um und krähten im Chor: »Vielen Dank!«
Rowen schloss sich ihnen an. »Salus, das ist so schnell gegangen … ich weiß überhaupt nicht, wie ich das wiedergutmachen könnte.«
Die Mundwinkel des Revolutionsführers hoben sich. »Oh doch, Rowen, das weißt du ganz genau.«
Jolla ließ das Bündel von seiner Schulter sinken und schleuderte es auf den Boden. Es waren unzählige Seile, die wie eine Schar Nattern für einige Momente über die Fliesen schlängelten.
»Was habt ihr mit den ganzen Stricken vor?«, fragte Rowen.
»Das wirst du beim Anbruch des nächsten Tages sehen. Dem Tag, der in den Chroniken als der Anbeginn einer neuen Ära festgehalten werden wird.« Mit jedem Wort hatte Salus seine Stimme weiter erhoben, bis ihm zum Schluss der ganze Raum gelauscht hatte.
»Redet der immer so?«, flüsterte Domitia Rowen ins Ohr und er konnte sich nur schwer ein Grinsen verkneifen.
»Morgen schon willst du beginnen?«, fragte er den Blondschopf. Beim Gedanken daran, schon bald von der ganzen Stadt Seite an Seite mit Salus gesehen zu werden, bekam er weiche Knie. Das würde ihm noch viel größere Probleme bescheren, als er ohnehin schon hatte.
»Menschenleben stehen auf dem Spiel, Rowen!« Salus deutete hinter sich, vielleicht in Richtung Norden, wo die Kreuzzügler in den Sladonischen Landen Kälte und Hunger litten. »Du hast die Chance, diese Welt zum Guten zu ändern. Willst du jetzt doch dein Wort brechen? Willst du doch ein Feigling sein?«
Sehr effektiv, das so vor meinen Schwestern zu sagen , dachte Rowen bei sich. Die Blicke aller Umstehenden lasteten auf ihm, insbesondere die beiden großen Augenpaare seiner Schwestern.
»Du kannst alles zum Guten wenden?«, fragte Clodia und ihre Stimme schwang vor Hoffnung. »Müssen wir dann nicht mehr im Mäusenest leben?«
Die Aussicht auf ein besseres Leben spiegelte sich funkelnd in ihren geröteten Augen, ließ sogar – zumindest glaubte Rowen das – die roten Äderchen verblassen. Er stellte sich vor, wie Clodia im Garten eines der Herrenhäuser spielte, vielleicht mit einem kleinen Hundewelpen, in einer Welt, in der nicht mehr Orchon, sondern die
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