Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
seiner Beinlinge, zog es auf und schüttete aus ihm ein senfgelbes Pülverchen in die beiden Gefäße.
»Die gemahlenen Kerne des Spitzmandelbaums«, sagte er. »Kennst du sie?«
Rowen schüttelte den Kopf. Er war Dieb, kein Gärtner.
»Ein launenhaftes Gift, nicht sehr beliebt unter all den Giftmischern, die die Intriganten im Onyxpalast beschäftigen. Es ist unberechenbar«, erklärte Salus. »Manche Männer bleiben kerngesund, nachdem sie einen ganzen Löffel davon geschluckt haben, bei anderen hört das Herz bereits auf zu schlagen, wenn sie nur an einer Messerspitze mit ihm geleckt haben.«
Trocken schluckend besah Rowen seinen Becher. Worauf lief das hier hinaus? Wie sollte er nur auf seine Schwestern zu sprechen kommen?
»Salus …«
»Still!« Der Blondschopf wedelte mit den Händen, als wollte er eine unsichtbare Fliege vertreiben. »Weißt du, ich trinke hin und wieder einen Becher Wein mit Spitzmandelkernen. Die anderen hier halten mich deswegen für wahnsinnig. Kannst du dir erklären, warum ich das tue?«
Abermals schüttelte Rowen den Kopf. Er vermutete, dass Salus auch gar keine Antwort von ihm erwartet hatte.
In den Augen des Revolutionärs flackerte etwas auf, das gleichwohl Wahnsinn wie auch berechnende Entschlossenheit sein konnte.
»Weil ich den Tod herausfordern will. Weil ich wissen will, ob meine Aufgabe hier schon getan ist oder ich noch weitermachen muss. Und weil ich prüfen will, wie viel Mut noch in meiner Brust sitzt. Denn die Revolution zu beginnen und einen Becher mit diesem Gift zu trinken, setzt dasselbe Maß an Tollkühnheit voraus.«
Allmählich verstand Rowen und er nickte bedächtig. Das hier war eine Prüfung. Eine Prüfung, wie weit er für diese Leute gehen würde.
Salus nahm seinen Becher, sog den Geruch des Weins in die Nase ein, ließ die Flüssigkeit kreisen und betrachtete versonnen die entstehenden Reflexionen. Schließlich prostete er Rowen zu.
Wo bin ich hier nur gelandet?
Rowen ergriff seinen Becher ebenfalls und nahm eine Nase. Wenigstens roch das Gesöff halbwegs genießbar, soweit er das beurteilen konnte, denn von Wein verstand er genauso wenig wie von Pflanzen.
In tiefen Zügen stürzte Salus den Giftwein in sich hinein.
Was soll's? Rowen setzte den Becher an die Lippen. Tot würde er seinen Schwestern nichts nützen, aber ohne die Hilfe von Salus würde er sie niemals wiedersehen. Alles oder nichts. Mit geschlossenen Augen und pochendem Herzen trank er den Wein.
Süßlich und vollmundig klebte der Geschmack des Rotweins in seinem Rachen. Er schmeckte nichts, was an Gift erinnerte, nicht einmal den leisesten bitteren Nachgeschmack.
Brodelnd kam dennoch ein Brechreiz in ihm auf, den er gerade noch unterdrücken konnte. Unter Zittern lauschte er auf das noch so kleinste Zeichen seines Körpers. Nichts. Kein Stechen in der Herzgegend, keine Magenkrämpfe, keine Atemnot. Er sackte in sich zusammen und holte tief Luft. Glück gehabt!
»Gefärbter Zucker«, sagte Salus. Ein Grinsen klaffte in seinem Gesicht.
»Was?«
»Das Pülverchen war nichts anderes als mit Safran gefärbter, feinster Zucker aus Tsunia, jenseits der Akolythischen Meerenge. Ich würde doch niemals das Risiko eingehen, die wichtigste Figur unseres Vorhabens grundlos mit Spitzmandelkern zu vergiften – dieses wahnwitzige Spiel treibe ich lieber allein mit mir selbst weiter.«
In Rowen wechselte sich der Wunsch, Salus einen Kinnhaken zu versetzen, mit dem ab, ihn vor Erleichterung zu umarmen.
»Du bist wahnsinnig«, stöhnte er.
Salus lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, ein schelmisches Lächeln über die makellosen, fast kindlichen Züge gelegt. »Das ist die Voraussetzung für das, was ich tun werde. Jetzt weiß ich wenigstens, dass du bereit bist, dein Leben für unsere Sache aufs Spiel zu setzen.«
Nicht für eure Sache, nur für meine Schwestern , dachte Rowen. Er wischte sich den Angstschweiß von der Stirn und sagte: »Es geht eigentlich um meine beiden Schwestern. Sie sind von meinem Hehler Marentius entführt worden. Er will das Geld zurück, das ich ihm schulde, aber ich schaffe es einfach nicht … Ich weiß, wo sein Versteck ist, aber ich kann es allein nicht schaffen. Also, helft ihr mir?
»Ja, wenn du uns hilfst, wie du gesagt hast.«
»Selbstverständlich«, entgegnete Rowen, auch wenn dies für ihn alles andere als selbstverständlich war.
Salus beugte sich vor und spitzte die Lippen.
Alles klar, er Treuekuss. Seit der Zeit der
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