Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
ihnen Küsse auf den Hinterkopf.
Noch nie war die Folterkammer so voll gewesen. Sogar bis in die Lochgefängnisse hinein tummelten sich die Flüchtlinge. Die zwei Medici, die unter ihnen waren, zogen umher und versorgten die Verwundeten mit dem wenigen Verbandszeug und der Handvoll Arzneien, die vorrätig waren.
Als er die Leiter in die Tiefarkaden hinabgestiegen war, hatte der Blick unzähliger Augenpaare Hilfe suchend auf ihm geruht. Er hatte die Flüchtlinge durch die Katakomben immer tiefer geführt, den Sichelfels hinab nach Sturzstadt. Dabei hatte er dieselben Haken geschlagen und falschen Fährten gelegt, wie er es auch sonst als Dieb getan hätte. Je näher sie den Verliesen der Alten Monarchen gekommen waren, desto mehr hatte Salus ihm aushelfen müssen.
Jetzt blieb nur zu hoffen, dass die Konzilssoldaten nicht trotzdem auf ihre Spur kamen und sie bis hierher verfolgten. Sollte dies geschehen, wusste Rowen nicht, was sie tun sollten. Er hoffte, dass zumindest Salus für diesen Fall einen Plan hatte, aber nach dem Desaster an diesem Abend waren seine Erwartungen nicht allzu groß.
Wie im Takt der Brieftauben, die zwischen den großen Städten Galyriens umherflogen, trudelten Leute mit Neuigkeiten ein. Manche sprachen davon, dass Hundertschaften von Soldaten durch die Straßen patrouillierten. Dass die Sichelstädter sich in ihren Häusern verbarrikadierten und dass das Cordiaviertel abgeriegelt worden war. Die tollkühnsten Nachrichten erzählten sogar davon, dass Kanzler Vallantus die IV. Konzilslegion, die derzeit in den Wasserweiten stationiert war, in die Hauptstadt beordert hatte.
Stille Tränen rannen über Judittas Wangen. »Du bleibst bei mir. Du bist auch bei mir gewesen, die ganze Zeit über. Aber nie dein Herz – das ist immer bei dem Efeumädchen geblieben.«
Zur Antwort senkte Salus nur den Kopf.
Rowen leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Also stimmte die Geschichte mit dem Efeumädchen von den Zinnzisternen, von der Oddo geredet hatte. Aus Liebe zu ihr hatte Salus sich gegen das Ewige Konzil erhoben. Juditta musste für ihn nur eine Gelegenheitsliebschaft gewesen sein; jemand, der zwar in das Loch in seiner Brust passte, es aber nie ganz ausfüllen würde.
»Ich habe dir gegeben, was ich geben konnte«, sagte Salus, die Stimme von Schuld belegt. »All das hast du gewusst.«
»Ist in Ordnung.« Sie rang sich ein erschöpftes Lächeln ab. »Wurde sie auserwählt? Musste sie in die Leeren Lande ziehen?«
»Wenn man den Liedern dieses Arlot Ashts Glauben schenken will, ja.«
»Also Jalina, die Jalina aus den Liedern. In ihnen heißt es doch, sie hätte sich in diesen Söldner verliebt … Wie lautet noch gleich sein Name?«
Salus barg das Gesicht in den Händen. Dumpf drang seine Stimme zwischen den Fingern hervor: »Corellius. Aber das hat sie ihm nur vorgegaukelt, damit er ihr zur Seite steht. Ein Plan, den wir vor ihrer Abreise entworfen hatten.«
»Du bist schon immer ein kluges Köpfchen gewesen.« Juditta kniff ihm in die Wange, dann ließ sie die Hand kraftlos sinken. »Jetzt lass mich schlafen. Das hilft am besten gegen Wundbrand, meinte der Medicus.«
Salus küsste sie auf die Stirn, stand mit geballten Fäusten auf und ging davon, um sich mit Oddo zu beraten.
Mathematik und Philosophie, alles nicht schwer,
Die Liebe gibt viel mehr Kompliziertes her.
»Was werdet ihr jetzt machen?«, fragte Clodia, deren rote Äderchen weiter verblasst waren. »Werden wir alle aus der Stadt fliehen?«
Domitia pflichtete ihr bei: »Das wäre am sichersten. Und du willst doch auch zurück in die Ährlande, oder?«
»Ja«, Rowen seufzt., »Aber manchmal muss man nicht das tun, was am sichersten ist, sondern was einem das Herz sagt.«
»Und was sagt dir dein Herz?« Domitia schmiegte ihren Kopf an seine Brust.
»Dass das Ewige Konzil spätestens seit heute nichts anderes als den Untergang verdient hat.«
»Ich erkenne dich nicht mehr wieder«, murmelte Clodia, die mit großen Augen das Geschehen um sie herum verfolgte.
»Wie meinst du das?«
»Du bist nicht mehr der Rowen, den ich mag. Da ist etwas mit dir, das so wütend und so böse ist.«
»Eine brennende Wunde ist in mir«, sagte er. »Und das Konzil hat sie mir zugefügt. Kennt ihr noch den alten Meeka Einauge? Meinen Mentor?«
Beide nickten eifrig.
»Der war lustig«, sagte Domitia. »Diese schnarrende Stimme und die komischen Verwünschungen, die er immer ausgestoßen hat. Er ist ja plötzlich nicht mehr zu uns
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