Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
sagte Juditta voll bitterem Galgenhumor.
»So wird es nicht enden.« Salus war es gelungen, seiner Stimme wieder Festigkeit zu verleihen. Er straffte seine Brust und drückte den Rücken durch, was eher Todesmut als Zuversicht ausstrahlte.
»Wir müssen hier weg«, stellte Juditta fest. »Ohne Waffen hierher kommen, wie konnten wir nur so dumm sein!«
»Es muss doch einen anderen Weg geben als über die Straßen.« Salus kratzte sich im Nacken.
In Rowens Verstand leuchtete eine Idee auf und ihr Schein wärmte ihn mit Erleichterung. Mit den Ellenbogen verschaffte er sich Platz und suchte das Pflaster ab. »Hier muss doch irgendwo …«
Juditta verschränkte die Arme vor der Brust. »Uns wird es wohl kaum helfen, wenn du jetzt auf deine Füße starrst, Rowen!«
»Die Tiefarkaden!«, sagte er, die Augen verengt. »Ich suche einen Kanaldeckel, einen Schacht, irgendetwas.«
»Natürlich!« Salus' Miene hellte sich auf. »Wir können von Glück sprechen, dass wir einen Dieb in unseren Reihen haben. Komm schon, Juditta, helfen wir ihm suchen!«
In ihrer Panik rannten die Bürger wild durcheinander. Ein stiernackiger Mann boxte und schubste sich seinen Weg zur Straße frei, im Windschatten lief seine junge Frau, die einen Säugling auf dem Arm hielt. Auf dem Pflaster lag ein Greis, der seine Glieder nur noch zitternd und zuckend regen konnte. Immer wieder trat ihm jemand aus Versehen in die Seite oder trampelte gar über seinen Rücken. Er musste gestürzt sein und in all der Verzweiflung gab niemand auf ihn Acht.
Wir haben sie in all das hineingezogen , durchfuhr es Rowen und er hörte für einen Moment auf zu suchen, das Herz von Schuld wie zerfressen. Was hatten sie sich nur gedacht? Wie naiv hatten sie alle nur sein können?
»Da! Da ist ein Deckel!« Juditta deutete vor sich auf den Boden. Ein Hänfling rannte in ihren Rücken hinein und prallte von ihren massiven Schultern ab wie ein Regentropfen von Metall perlt.
Wie aus weiter Ferne drang ein Ruf von den Dächern: »Feuer!«
Ihm folgte der todbringende Gesang der Armbrustsehnen.
Rowens Freude über Judittas Fund war wie fortgewischt. An ihre Stelle trat ein schrilles Pfeifen, das all sein Denken überlagerte. Nur nicht getroffen werden. Nur nicht getroffen werden.
Er schloss die Augen.
Surrend ging der Bolzenschauer auf sie nieder. Todesschreie. Judittas Kreischen.
Er fühlte keinen Schmerz. Kein Geschoss hatte Rowen getroffen. Tief ausatmend riss er die Augen auf.
Ein Bolzen hatte sich in Judittas Fuß gebohrt. Sie verzog das Gesicht zur Grimasse und biss ächzend die Zähne aufeinander, während der unverletzte Salus sie stützte. »Geht schon, geht schon!«, brachte sie hervor. »Irgendwie wird es schon gehen.«
Das Chaos auf dem Richtplatz hatte sich noch einmal gesteigert. Die einen knieten um die Verletzten und Sterbenden, die anderen stürmten noch heftiger gegen die Reihen aus Konzilssoldaten an. Diese hatten nun begonnen, mit ihren Speeren auf die Verzweifelten einzustechen.
Die junge Frau mit dem Säugling, die noch vor wenigen Momenten Deckung hinter dem Rücken ihres Hünen von Mann gefunden hatte, stand nun allein da. Mechanisch streichelte sie über den blonden Flaum ihres Kindes, die Augen panisch umherirrend. Ihr Mann lag zur ihren Füßen, von gleich drei Bolzen gefällt.
Dies war ein Blutbad, nichts anderes als ein Blutbad.
Als der Blick der Mutter auf sie fiel, winkte Rowen sie herbei.
Wimmernd und ständig zurück zu ihrem Gemahl sehend, stolperte sie zu ihnen.
»Wir müssen so viele retten, wie wir können«, sagte Rowen, dann hielt er die Hände als Trichter vor seinen Mund und rief: »Kommt alle her, wir fliehen durch die Tiefarkaden!«
Er ging in die Hocke und schob den Deckel zur Seite. Bis die Armbrustschützen nachgeladen hatten, würden sie noch ein paar Augenblicke Zeit haben. Diese Schuld werden wir niemals loswerden, aber vielleicht können wir sie wenigstens schmälern.
»Das ist Wahnsinn!«, meinte Salus. »Niemals können alle, die auf dem Platz sind, durch dieses schmale Loch.«
»Aber zumindest ein paar«, entgegnete Rowen, während er einem kleinen Jungen in Lumpenkleidern hineinhalf. Wie sonst das Regenwasser strömten die Leute zu dem Kanalschacht. Auch Thoran, Jolla und Oddo kamen zu ihnen.
Als die Konzilssoldaten die Flucht bemerkten, blieben sie nicht auf ihren Posten, sondern kreisten sie mit gesenkten Speeren ein.
»Die wollen uns alle töten!«, rief eine faltenzerfurchte Greisin, als sie auf
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