Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
die Leiter stieg.
»Du sollst nicht reden, sondern klettern!«, knurrte Jolla. Als einziger von ihnen war er bewaffnet und ließ die Spitze seines Raubdegens rhythmisch auf das Pflaster schlagen. Aber ganz allein würde er nichts gegen die Soldaten ausrichten können.
»Feuer!«, erscholl es erneut wie ein Todesurteil.
Hatten sich die Leute gerade noch mehr oder weniger eingereiht, um in den Schacht zu steigen, ging diese Ordnung jetzt völlig verloren. Wie sonst bei den Essensausgaben, drängten sie ohne Rücksicht vorwärts. So sehr, dass ein dürrer Rotschopf in vorderster Reihe das Gleichgewicht verlor und vornüber in den Schacht stürzte. Dabei riss er die Frau, die gerade hinunterkletterte, mit sich in die Tiefe.
Es geschah mehr Schreckliches als in Rowens ganzen vorigen Leben.
Handeln, nicht nachdenken.
Wird sich schon zum Guten lenken.
Beinahe hörte es sich an wie eine von Jollas Parolen.
Das nächste Surren.
Thoran, der Wirt des Hüpfenden Schwammling , sank röchelnd zusammen. Ein Bolzen steckte tief zwischen seinen Schultern.
»Vater!«
Jolla stieß die Menschen, die zwischen ihm und dem Wirt waren, wie ein wild gewordener Stier zur Seite. Vor Thoran ließ er seinen Degen fallen und sackte auf die Knie. Er packte ihn an den Schultern und zog seinen Kopf sacht auf seinen Schoß. »Vater!«, wimmerte er immer wieder und nichts in seiner Stimme war noch rüde oder rau.
Rowen blinzelte. Thoran war Jollas Vater? Bei diesen zwei Männern der Geheimnisse überraschte es nicht einmal. Trotzdem erschien es ihm beinahe wie ein Ding der Unmöglichkeit, dass ein Kerl wie Jolla so etwas wie Trauer kannte.
»Ist gut«, hustete Thoran und Blut sprudelte über sein Kinn. »Ich sterbe. Ihr müsst weiterkämpfen.«
Seine Augen hörten auf zu glänzen.
Jolla legte seine Stirn an die seines Vaters, dann nahm er seinen Raubdegen und stand auf, das Gesicht gerötet und tränenüberströmt.
Er stürmte los, vom Kanalschacht weg. Den Konzilssoldaten entgegen.
»Nein! Jolla! Tu das nicht!«, gellte Salus.
Es half nichts. Mit hoch erhobenem Degen rannte der Hüne seinem mehr als sicheren Tod entgegen.
»Wir müssen auch in den Schacht!«, brachte Juditta hervor, schon halb ohnmächtig. »Länger werden wir es nicht schaffen.«
Von Bolzen übersäte Leichen pflasterten den Platz und der Ring der Konzilssoldaten kam näher und näher. Rowen wurde übel bei diesem Anblick. Er musste heftig schlucken. Juditta hatte Recht. Sie mussten fort.
Aber das hier wird nicht das Ende sein. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er das hier gar nicht mehr für seine Schwestern tat. Nein, er tat es, weil er daran glaubte.
Salus, der immer noch dorthin sah, wo Jolla in der Menge verschwunden war, nickte. »Ja. Ja …«, murmelte er. »Wir müssen runter.«
Unter Einsatz ihrer Ellenbogen verschafften sie sich Platz und Salus hievte Juditta gemeinsam mit Oddo in den Schacht, wo sie allein weiterklettern musste. Nervös warteten sie darauf, dass sie das Ende der Leiter erreichte.
»Lass uns durch, Blondschopf!«, setzte ein sonnengegerbter Mann hinter Salus mit dem breiten Akzent der Algenatolle an.
Dieser verschränkte die Arme vor der Brust. »Meine Gefährtin ist noch nicht hinuntergeklettert.«
»Du hast uns in diese Lage gebracht, sei bloß still!« Der Mann hob die Faust.
Bevor Rowen selbst wusste, was er tat, packte er sein Handgelenk und drehte es herum. Der Algenatoller schrie auf und starrte ihn aus verengten Augen an.
»Jeder kommt runter. Wir sind alle auf derselben Seite«, sagte Rowen und war erstaunt, wie ruhig seine Stimme klang. »Dieser Mann hier will nur das Beste für uns alle.«
Der Schatten, der auf der Miene des Algenatollers gelegen hatte, verflüchtigte sich. Sein Blick glitt auf den Galgenstrick. »Du – du bist Rowen die Maus!«
»Ja, verdammt richtig. Und wir werden sie büßen lassen für das, was heute geschehen ist.«
Brennende Tränen, brennende Wunden
»Sie wird sterben.«
Der Medicus wischte sich die blutigen Hände ab, während er voller Bedauern den Kopf schüttelte.
»Salus …«, wisperte Juditta, die mit verbundenem Fuß auf ihrer Strohmatratze lag. »Bleibst du bei mir?«
Der Revolutionsführer kniete sich neben sie und strich ihr einige schweißnasse Haarsträhnen aus der Stirn. »Ich bleibe immer bei dir.«
Rowen beobachtete die beiden von seinem Lager aus, wo er mit seinen Schwestern auf dem Schoß saß. Immer wieder streichelte er den beiden durchs struppige Haar und gab
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