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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Caffeehaus entfernt und war ein altes Gemäuer, dem die Patina von Jahrhunderten anhaftete. Bevering führte mich die Wendeltreppe in den ersten Stock empor, wo sich die Gesellschaftsräume befanden, und zündete dort die Lampen an. Dann entschuldigte er sich, um die Zutaten für den Glühwein zu besorgen.
    Im Kamin brannte ein kleines Feuer, das in dem hohen, düsteren Raum nicht viel Wärme verbreitete. Doch als Alternative zu meinem ungeheizten Dachzimmer erschien es mir recht gemütlich. Der Apotheker kam schon bald darauf zurück und schürte auch das Feuer. Der gewürzte, heiße Wein, den wir miteinander teilten, lockerte die Atmosphäre noch weiter. Zunächst war es Bevering, der von sich erzählte. Er stammte aus einer Apothekerfamilie mit langer Tradition und liebte seinen Beruf wirklich. Umso mehr hatte ihn der Zwist mit seinem alten Freund Doktor Schlaginhaufn betroffen gemacht, der ihn mehr oder weniger beschuldigt hatte, den Tod seines Bruders verursacht zu haben.
    »Ich habe ihn überredet, eine Trinkkur in Bad Godesberg zu machen, Fräulein Ella. Jakob wollte nichts davon hören, für ihn war das eine neumodische Idee, die nichts bewirkt. Gott, vielleicht hat er recht gehabt. Aber seine Kuren haben meinem Bruder auch nicht geholfen. Ich wagte sogar anzudeuten, sie würden ihm mehr schaden als nützen. Auf jeden Fall fuhr Friedrich nach Godesberg, und als er eintraf und man den Schlag der Kutsche öffnete, war das Leben aus ihm gewichen.«
    »Es ist schwer, einen Menschen zu verlieren. Doch wenn er so krank war, wie Sie sagen, dann hätte ihn das Schicksal auch in seinem Heim treffen können.«
    »Ohne Zweifel. Aber meine Schwägerin und meine Tochter, vor allem aber mein Freund Jakob wollen nun mal mir die Verantwortung an seinem Tod geben.«
    »Der Schmerz verlangt einen Schuldigen. Wenn er nachlässt, werden sie sicher den vernünftigen Argumenten gegenüber offener werden.«
    »Hoffen wir es. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu erzählen, was Sie nach Köln geführt hat? Außer dem überwältigenden Ruf unserer schönen Stadt natürlich.«
    Ich lachte leise. »Waren Sie mal in Potsdam, Herr Doktor Bevering?«
    »Schon gut, schon gut. Aber auch diese behäbige Matrone am Rhein hat ihre verborgenen Reize.«
    »Ganz sicher. Ich hatte bislang nur noch nicht viel Zeit, sie zu suchen.«
    Danach schilderte ich ihm eine Version meiner Geschichte, die so nahe wie möglich an der Wahrheit blieb. Ich sprach von meiner Beteiligung an Nadinas Café und dem jungen Ingenieur, dem ich vertraut hatte und nach Elberfeld gefolgt war. Dort sei ich krank geworden, und er habe mich schmählich sitzen lassen. Geholfen habe mir der langjährige Freund und Handlungsreisende MacPherson, der mich mit nach Köln genommen und bei Müller eingeführt habe.
    Bevering glaubte mir unbesehen. Warum auch nicht? Er war mit seinen dreiundfünfzig Jahren welterfahren genug, um zu wissen, dass ein solches Schicksal nicht ungewöhnlich war.
    Wir verstanden uns gut an diesem Abend, und in den Tagen danach bat er mich immer mal wieder um meine Gesellschaft. Nach Hause lud er mich nicht mehr ein, ein solches Ansinnen hätte ich auch strikt abgelehnt, doch ich besuchte mit ihm ein Konzert, eine Aufführung im Comödienhaus, fuhr mit ihm an den ersten schönen Märztagen nach Deutz hinüber, um in den Rheinauen zu spazieren, oder wir verabredeten uns im Botanischen Garten, um die ersten Narzissen zu begutachten.
    Ich fand Gefallen an seiner Gesellschaft, er war gebildet, von sanftem Charakter und angesehen in den besseren Kreisen. Es blieb mir nicht verborgen, dass er mir eine ständig wachsende Zuneigung entgegenbrachte, und sein Antrag am Ostertag überraschte mich nicht besonders. Dennoch bat ich mir ein paar Tage Bedenkzeit aus. Und in diesen Tagen zog ich Bilanz. Mochte es jüngere Männer geben, größere Gefühle oder leidenschaftlichere Verbindungen – das alles wog nicht auf, was er mir mit vollen Händen bot. Es war genau das, was ich mir wünschte: Geborgenheit, Sicherheit, gesellschaftliches Ansehen. Er würde mir ebendies bieten. Und dafür würde ich ihn achten und ihm treu sein. Und, soweit es in meiner Macht stand, auch lieben. Und meine Position seiner völlig entgeisterten Familie gegenüber mit Zähnen und Klauen verteidigen.
    Was für eine Aufgabe ich mir damit gestellt hatte, ahnte ich noch nicht.
    Das war auch besser, denn sonst hätte ich mich an meinem Jawort verschluckt.

Die schöne Fassade
    Aus unsern Herzen

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