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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Vernachlässigung zu spüren war.
    Das alles war Dorothea jedoch schon nach kurzer Zeit gleichgültig. Sie befand sich in den ersten Wochen in einem dauerhaften Schockzustand und wusste kaum mehr, wie sie von einem Tag zum anderen überleben sollte. Es gab niemanden, mit dem sie über die Perversionen ihres Mannes hätte sprechen können, auch wenn er sie immer wieder dazu zwang, an den Geselligkeiten teilzunehmen, die der Landadel veranstaltete. Dann saß sie in ihren eleganten Kleidern zwischen ehrenwerten Matronen und rotbackigen jungen Mädchen und bemühte sich, die Fassade einer glücklichen jungen Ehefrau aufrechtzuerhalten. Tat sie es nicht, erhielt sie ihre Strafe schon am selben Abend. Einmal hatte sie versucht, sich dem Pastor anzuvertrauen. Doch als sie mit vorsichtig gewählten Worten über das unnatürliche Gebaren ihres Ehemanns zu sprechen begann, musste sie beobachten, wie dem frommen Mann die Gesichtsfarbe von Rot nach Weiß und schließlich nach Grün wechselte. Er gab einige tröstende Laute von sich und schickte tags darauf seine Frau zu ihr, die ihr mit verständnisvollem Blick zu erklären versuchte, das Eheleben habe auch seine delikaten körperlichen Seiten, und ein liebendes Weib müsse die Aufmerksamkeiten ihres Gatten nun mal erdulden, auch wenn sie einem jungen, unschuldigen Mädchen möglicherweise etwas degoutant vorkamen. Dotty schämte sich zutiefst und fand keine Worte, ihr den Sachverhalt in seiner vollen Tragweite darzustellen. Der Pastor beging jedoch den Fehler, Richard zur Seite zu nehmen und ihm zu raten, er möge Rücksicht auf seine junge Frau nehmen und ein zartfühlendes Verhalten in matrimonialen Dingen zeigen.
    Er tat es mit der Reitgerte.
    Und da ihm die Reaktion seiner Gemahlin auf diese Behandlung gefiel, gehörte die Züchtigung zukünftig häufig zur Ausübung der ehelichen Rechte.
    Dorothea litt, und der einzige Trost, den sie fand, lag im Essen. Sie gewöhnte sich an, schon morgens mehrere Tassen Schokolade zu trinken, aß Unmengen süßes Gebäck dazu, nahm ein reiches Mittagsmahl zu sich, am Nachmittag wurden ihr Kaffee und Kuchen serviert, Schalen mit Pralinen luden jederzeit zum Naschen ein, und zum Abend stand noch einmal ein mehrgängiges Menü auf dem Tisch. Sie wurde unförmig, und ihre Korsetts schnürten sie mehr und mehr ein. Es kümmerte sie nicht besonders.
    Hin und wieder nahm Richard sie mit nach Greifswald, wo er Geschäfte abwickelte und seinen dortigen Freunden seine Frau vorführte. Sie hielt sich an seine Befehle, lächelte, machte Konversation und schwieg über ihre Pein. Wenigstens verschonte ihr Gatte sie während dieser Aufenthalte mit seinen Aufmerksamkeiten. Er besuchte stattdessen die Bordells.
    Wenigstens eine Befriedigung erhielt Dorothea bei einem dieser Stadtbesuche. Sie fand nämlich im Rathaus das Signalement ausgehängt, mit dem die in Berlin entwichene Mörderin Amara Wolking gesucht wurde. Mit grimmiger Genugtuung malte sie sich aus, wie erbärmlich es dieser Kreatur jetzt ging, die die eigentlich Schuldige an ihrer kaum erträglichen Lage war. Sie stellte sich vor, wie Amara fern der Heimat, gehetzt von den Schergen, im Elend lebte, bettelte, fror und ihren Körper für ein Stück schimmliges Brot verkaufte.
    Und je mehr sie darüber nachdachte, desto interessantere Details zu dem Tod Gilberts fielen ihr ein, und einige höchst bemerkenswerte Zusammenhänge wurden ihr klar.
    In Folge davon verstarb Ende des Sommers plötzlich und unerwartet der Verwalter von Finckenstein. Angeblich unter furchtbaren Krämpfen.

Ein konstruktives Besäufnis
    Hier sind wir versammelt zu löblichem Tuns.
Drum, Brüderchen, Ergo bibamus.
Die Gläser, sie klingen, Gespräche, sie ruhn,
Beherziget Ergo bibamus!
    Ergo bibamus, Goethe
     
     
    »Was man an Kraft einspart, muss man an Weg zusetzen«, erklärte Alexander dem Bauern und drückte den Hebel nieder. »Aber das hier kriegen Sie mit einer einfachen Handpresse nicht hin!« Er grinste den verdutzten Mann an, der beobachtete, wie der Apfelsaft aus der Presse floss.
    »Dunnerschlach!«, war der Kommentar des Landwirts.
    Alexander ließ den Hebel wieder nach oben gleiten, um anschließend den fast trockenen Presskuchen zu entfernen. »Wollen Sie es auch mal versuchen?«
    Die Hydraulikpresse, die er entworfen hatte, war der Renner aus Nettekovens Werkzeugfabrik. Alexander hatte den behäbigen Meister ein paar Wochen lang bearbeiten müssen, damit er etwas so Neuartiges in Angriff nahm, aber das

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