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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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die zwei Tassen und der Teller abgegolten sein. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir das Geld jetzt aushändigen würden. Denn ab morgen werde ich nicht mehr für Sie tätig sein.«
    »Häh? Was haben Sie gesagt?«
    »Noch deutlicher, Herr Müller – ich kündige. Und nun meinen ausstehenden Lohn bitte, sonst muss ich rechtliche Schritte einleiten.«
    Mit Frauen, die sich auf Zinsen und rechtliche Schritte verstanden, hatte der Cafébesitzer es noch nie zu tun gehabt, doch sein cholerischer Anfall prallte an meiner unbeweglichen Miene vollkommen wirkungslos ab. Auch seine Drohung, ich würde in Zukunft in keinem Ausschank mehr auch nur die Gläser abwaschen dürfen, beeindruckte mich nicht. Mit einem kleinen Lächeln gab ich ihm, als er mit seiner Tirade zu Ende war, zu verstehen: »Es wird Ihrem Caffeehaus nicht zum Ruhm gereichen, wenn Herr Doktor Bevering und seine Gemahlin es ihren Freunden und Bekannten gegenüber als völlig unakzeptables Etablissement bezeichnen.«
    »Sie anmaßendes junges Weibsbild! Doktor Bevering ist ein treuer Stammgast, und eine Gattin hat er nicht.«
    »Er wird bald genug eine haben. Wir heiraten in Kürze. Wünschen Sie mir Glück, Herr Müller. Und zahlen Sie mir den Lohn aus.«
    Er tat es wortlos.
     
    Kurz darauf legte ich in meinem Zimmerchen die gestärkte Schürze ab und betrachtete den in eine Spitzenmanschette gefassten Bund aus Maiglöckchen und Veilchen auf dem Hocker an meinem Bett. Es war ein Frühlingsgruß, der seltsam endgültige Gefühle in mir weckte. Dann trat ich an das Fenster und schaute zu den hohen Giebeln der gegenüberliegenden Häuser auf, über denen sich ein blauer, leuchtender Himmel spannte.
    Als ich mit MacPherson in Köln eingetroffen war, war mein erster Eindruck von der Stadt nicht eben erfreulich gewesen. Die Mischung von Verfall, Alter, Gedränge und unzähligen Kirchen erschlug mich beinahe. Wie anders wirkte es als das gepflegte Potsdam mit seinen Parks und Wasserläufen, wie anders als Berlin mit seinen von Schinkel im gradlinig klassizistischen Stil entworfenen Häusern, den breiten Alleen und vornehmen Villen.
    Es gab auch offene Plätze in Köln, entdeckte ich später bei meinen Erkundungsgängen. Aber die wichtigste Straße, die Nord-Süd-Verbindung zwischen den Stadttoren, war eng, die Häuser aneinandergeduckt, mit hohen Stufengiebeln. In der ersten Zeit nach meinem Eintreffen ging es mir jedoch nicht besonders gut, die Vernachlässigung und der ständige Alkoholkonsum hatten meine Gesundheit angegriffen.
    Der Reisende brachte mich in einer ordentlich geführten Pension unter, wo ich mich langsam erholte. Nach einem Monat schließlich hatte ich bei Müller vorgesprochen und dank MacPhersons Empfehlung die Stelle als Serviererin erhalten. Anfangs erschöpfte mich die stundenlange Arbeit so sehr, dass ich wie erschlagen zu Bett sank, sobald ich mein Kämmerchen betrat. Erst im Sommer fühlte ich mich kräftig genug, um die Stadt und den Fluss gründlich in Augenschein zu nehmen. Staunend betrat ich die alten Kirchen mit ihren bunten Fenstern und unzähligen Heiligenfiguren, den beständig flackernden Kerzen und vergoldeten Kreuzen. Köln war für mich, eine Protestantin ohne frommen Ehrgeiz, unerwartet fremd, und manchmal fragte ich mich, wo der Unterschied zwischen rheinischem Katholizismus und einem farbenprächtigen Heidentum lag. Erstaunlich fand ich auch die stachelige Domruine. An ihr zogen sich hier und da hölzerne Gerüste empor, auf denen einige Arbeiter Ausbesserungsarbeiten an den morschen Stützpfeilern, lecken Dächern und wackeligen Fialen vornahmen. Angeblich war man seit Jahren bestrebt, die Kathedrale fertig zu bauen, aber das würde wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen.
     
    Ich war weiterhin einsam in dieser Zeit. Die Angestellten im Caffeehaus betrachteten mich als Eindringling, die Gäste hielt ich auf Distanz. Mac war nach wenigen Tagen abgereist, und als er im Herbst wieder seine Runde bei seinen Kunden drehte, hatte er sich nur mehr flüchtig nach meinem Wohlergehen erkundigt. Das Bett hatten wir nach jener Nacht in Elberfeld nicht wieder miteinander geteilt, und das war mir auch ganz recht so. An Nadina und Melisande schrieb ich nicht, es wären nur Vorwürfe dabei herausgekommen. Aber ich war nicht mehr unglücklich, sondern mehr und mehr entschlossen, der Tretmühle zu entfliehen.
    Nach kühler und kritischer Erwägung kam ich zu einer grundlegenden Einsicht. Als ledige junge Frau ohne Beziehungen

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