Göttertrank
aufstand, durchfuhr mich ein jäher Schmerz. Ich stolperte und sank hilflos in Jan Martins Arme. Er war stark genug, um mich zu halten, aber entsetzt von meinem Aufstöhnen.
»Ella Annamaria!«, zischte Margarethe. »Was soll das? Reiß dich zusammen. Dein Benehmen ist ungehörig über alle Maßen!«
Mir schwindelte, und weil ein weiterer Messerstich in meinen Leib fuhr, musste ich mich hilflos zusammenkrümmen.
»Was ist, Amara?«, flüsterte Jan Martin. »Du bist ganz grün im Gesicht. Hast du Schmerzen?«
»Schwanger«, japste ich und klammerte mich an ihn.
»Wie lange?«
»Vier Monate.«
Er hob mich auf die Arme und trug mich, ohne auf die protestierenden Damen Bevering zu achten, zum Haus. Nur verschwommen bekam ich mit, wie Alexander die Tür öffnete, und schon wieder verkrampfte sich mein Körper in einem höllischen Schmerz.
»... fürchte, eine Fehlgeburt... Gisa holen... Bett...«, war alles, was ich von dem Gespräch zwischen den beiden Männern mitbekam. Ich wurde in ein helles Zimmer getragen, und dann stand plötzlich ein ungeschlachter großer Junge mit einer Hasenscharte neben mir. Er legte mir seine riesige, erdverkrustete Pranke auf den Bauch. Jan wollte ihn wegschicken, aber ich schüttelte den Kopf. Es ging eine seltsame Wärme von seiner scheuen Berührung aus, die die nächste Schmerzattacke erträglicher machte.
»Er kann gut mit kranken Tieren umgehen«, erklärte Masters, der mich mit einem Ausdruck von Entsetzen und Verärgerung anschaute. »Du scheinst es dir zur Gewohnheit zu machen, mir in unsäglichen Situationen vor die Füße zu fallen, Amara.«
»Tut mir leid«, konnte ich nur noch keuchen, dann wurde mir schwarz vor Augen.
Der Rest des Tages muss nicht näher beschrieben werden, er war grauenvoll. Aber als die Sonne unterging und sich das Zimmer, in das sie mich gebracht hatten, mit violetten Schatten füllte, war die Tortur zu Ende, und das schiere Glücksgefühl, keine Schmerzen mehr zu haben, machte mich schläfrig. Doch Jan kam mit einer Lampe herein und setzte sich an das Bett.
»Du wirst es überleben, es war ein natürlicher Abgang. Körperlich bist du gesund, und es gab keine Komplikationen. Aber – hattest du dich sehr auf das Kind gefreut?«
»Ich war mir dessen noch gar nicht so recht bewusst, Jan. Ich bin ein bisschen nachlässig gewesen, und dann war da diese dumme Krankheit. Ich dachte, die Monatstage seien wegen der ganzen Aufregung in meinem Leben und später wegen des Fiebers ausgefallen.«
»Die Röteln, richtig. Sie sind oft der Grund dafür, dass es zu Fehlgeburten kommt.«
»Der widerliche Schlaginhaufn hat sie eingeschleppt.«
»Vermutlich. Ein Arzt alter Schule. Was hat er dir verschrieben?«
»Eine Mischung aus gebranntem Hirschhorn, Koralle und Myrrhe, aufgelöst in Holunderblütenwasser. Das zumindest hat gut geschmeckt.«
»Das war auch das einzig Wirkungsvolle daran.«
Ich musste lächeln, aber dann fiel mir etwas anderes ein. »Was ist mit den Damen Bevering?«
»Ich habe sie, wenn auch unter lauten Protesten, in den Landauer verfrachtet und nach Hause geschickt. Sie machen dir das Leben schwer, nicht wahr?«
»Meistens amüsieren sie mich. Aber – ja, sie können enervierend sein.«
»Du solltest jetzt schlafen, Amara. Ich bleibe hier im Haus, im Zimmer nebenan, und Alexander übernachtet bei Nettekovens.«
»Es hat ihn sehr geärgert, dass mir dieses Missgeschick ausgerechnet vor seiner Haustür passiert ist.«
»Das hat vielleicht so gewirkt, Amara. Aber er ist trotzdem ein mitfühlender Mann. Nur hat auch er seine Probleme und die nicht zu knapp. Darf ich ihm ein wenig von deinem Leben erzählen?«
Ich hatte Jan Martin nach seinem ersten Besuch einen langen, erklärenden Brief geschrieben, und daher nickte ich. Dann aber übermannte mich die Müdigkeit.
Gisa brachte mir am Morgen ein Tablett mit noch warmen Brötchen, Kirschmarmelade, Honig und frischer Butter. Sie war eine wortkarge, aber fürsorgliche Frau, schüttelte mir die Kissen auf und schob mir ein weiteres Polster in den Rücken, damit ich bequem im Bett frühstücken konnte. Es ging mir erstaunlich gut, und als Jan Martin anschließend zu mir kam und mich untersuchte, meinte er: »Du kannst durchaus aufstehen und dich in den Garten setzen, wenn du dich stark genug fühlst.«
»Tue ich. Könntest du mir später einen Wagen besorgen? Dann muss ich nicht länger Herrn Masters Gastfreundschaft in Anspruch nehmen.«
»Ich habe Doktor Bevering geschrieben, dass
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