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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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etwas über ihn herausgefunden.«
    »Etwas Ehrenrühriges, vermutlich. Was du jetzt auch kennst. Nun, dann schweig meinetwegen darüber. Aber wie es scheint, bist du ebenfalls hinter diese Angelegenheit gekommen.«
    »Eddy... nun, er war schrecklich unglücklich und wollte... ich hab ihn daran gehindert, vom Dach zu springen. Und da hat er mir alles erzählt. Ich wollte ihn nicht verpetzen, also habe ich gedacht, ich erteile Karl August einfach eine Lehre.«
    »Mhm!«
    »Ich habe ihn zur Rede gestellt.«
    »Was ganz offensichtlich nichts gefruchtet hat. Das Reden, meine ich.«
    Julius gab ein leises Schnauben von sich. »Ich sagte doch, Karl August ist ein komischer Kerl. Er hat nur noch seine Mutter, sein Vater ist bei Jena verwundet worden und war anschließend Polizist in Berlin. Dann ist er gestorben. Die Mutter hat dafür gesorgt, dass Karl August auf die Kadettenschule gehen konnte. Aber letztes Jahr kam er zu uns.«
    »Mhm.«
    »Ja, Herr Vater, das denke ich auch.«
    Diesmal kam das belustigte Schnauben von dem Grafen.
    »Er hat geleugnet, Eddy die Halloren weggefressen zu haben, und hat mir einen Vortrag darüber gehalten, wie gefährlich der Genuss von Kakao und Schokolade ist.«
    »Das werden wir deiner Mutter unterbreiten.«
    Schweigen war die Antwort.
    »Na, na, Junge, du wirst ja rot bis an die Ohrenspitzen. Habe ich einen wunden Punkt berührt?«
    »Nnnja... Also... er hat gesagt, Kakao verursacht sinnliche Erregung.«
    »Eine interessante Theorie. Doch kommen wir zu dem eigentlichen Zwischenfall zurück. Konntest du ihn dazu bewegen, die Schandtat zuzugeben?«
    Julius’ Stimme wirkte hörbar erleichtert.
    »Ja, doch. Als ich ihn am Boden hatte. Außerdem habe ich ihm das Ehrenwort abgerungen, den kleinen Eddy zukünftig in Ruhe zu lassen. Sofern er nicht auch noch eine gebrochene Nase haben wolle.«
    »Gute Alternative. Doch du bist derjenige, der relegiert wurde.«
    »Ja, dummerweise kam unser Tutor vorbei. Ich konnte ja schlecht sagen, worum es wirklich ging, und Karl August hat mir die Schuld in die Schuhe geschoben. Aber wissen Sie, Vater, so schlimm ist das mit den zwei Wochen nicht. Ich habe meine Bücher mitgebracht, ich werde hier lernen.«
    »Darüber denken wir noch nach. Ach übrigens – wie alt ist besagter Karl August?«
    »Fünfzehn, warum?«
    »Ach, ich wollte nur wissen, ob du dich möglicherweise an einem kleineren, jüngeren oder wehrlosen Gegner vergriffen hast. Scheint aber nicht so. Und nun, mein Junge, werde ich einen Brief an den würdigen Herrn Rektor schreiben und die Sache – ohne Namensnennung selbstredend – richtigstellen.«
    »Der Herr General verlangen vermutlich bedingungslose Kapitulation?«
    »Hätte ich es je darunter getan?«
    Julius lachte erleichtert auf und fragte dann sehr förmlich: »Habe ich die Erlaubnis, mich zu entfernen, Euer Gnaden?«
    »Verschwinde, und mach deiner Mutter deine Aufwartung.«
     
    Ich öffnete die Augen wieder und bemerkte mit Staunen, dass Alexander geradezu atemlos meiner Schilderung dieser kleinen Szene zugehört hatte.
    »Ja, Amara, so ist mein Vater. Ich habe ihn als Junge so sehr geliebt und bewundert.«
    »Ich auch, obwohl ich ihn selten zu Gesicht bekam. In den ersten Jahren traf ich ihn gar nicht. Er war als Oberst nach den letzten Kriegen einige Zeit in Frankreich stationiert, und danach, so hieß es, habe er sich auf dem politisch-militärischen Feld seine Meriten verdient. Dann wurde er in den Generalsrang befördert, und Generäle wie Könige rangierten für mich knapp unter Gott. Vor allem, wenn sie Uniform trugen. Und General Karl Victor Graf von Massow macht in seiner blauen, goldbetressten Uniform eine imposante Figur.«
    Plötzlich lachte Alexander laut auf. »Du hast recht, Amara. Ich muss unbedingt nach Berlin, schon deswegen, weil ich mich bei Julius dafür bedanken muss, dass er Karl August Kantholz die Fresse poliert hat. Der arme Kerl hat’s aber auch schwer mit den Brüdern Massow.«
    »Vermutlich eine weitere beschauliche Geschichte aus deinem Leben.«
    »Beschaulich würde ich sie nicht nennen. Aber – wie soll ich sagen – richtungweisend.«
    »In die richtige?«
    »Ich glaube, jetzt ja. Danke, Amara.«
    Er küsste mir die Hand. Und ich hatte nicht das Bedürfnis, sie mir abzuwischen.

Ein gemästetes Kalb
    Ach, die Augen sind es wieder,
Die mich einst so lieblich grüßten,
Und es sind die Lippen wieder,
Die das Leben mir versüßten!
Auch die Stimme ist es wieder,
Die ich einst so gern gehöret!

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