Göttertrank
mein Schwiegervater.«
Der General gab ein schnaubendes Geräusch von sich. »Wetten, dass er sich dir vor die Füße wirft, wenn du als Graf von Massow bei ihm vorsprichst?«
»Warum sollte er?«
»Weil, mein Junge, ich die Erfahrung gemacht habe, dass insbesondere die Dünkelhaften zu ausgesuchten Kriechern werden, wenn es um gesellschaftlichen Aufstieg geht. Und seine Tochter würde Gräfin, sein Enkelkind Komtess.«
Vieles hatte Alexander in den vergangenen Wochen durchdacht – diese Konsequenz war ihm nicht in den Sinn gekommen. Fassungslos starrte er seinen Vater an.
»Siehst du, noch ein Grund, den Titel nicht rundweg abzulehnen. Komtess Julia könnte er eines Tages nützlich sein.«
»Autsch, jetzt haben Sie einen wunden Punkt erwischt.«
»Na, dann denk darüber noch mal nach. Und nun ein Letztes, Alexander. Wie es scheint, hast du zwar wenige, dafür umso bessere Freunde. Dieser Verleger, der mich angeschrieben hat …«
»Cornelius Waldegg. Ja, er ist ein wirklich guter Freund. Er und seine Frau und sein Bruder haben mir sehr geholfen.«
»Und nun ist er mit der Bitte an mich herangetreten, über unsere unerwartete Familienzusammenführung einen Bericht veröffentlichen zu dürfen. Ich würde das ja rundweg ablehnen, will es aber dennoch mit dir diskutieren.«
»Er ist ein großer Verfechter der Pressefreiheit. Wir können ihn zwar bitten, nichts darüber zu schreiben, andererseits, Vater – herumsprechen wird es sich ohnehin, dafür sind Sie ein viel zu bekannter und einflussreicher Mann.«
»Du meinst also, ein Artikel aus seiner Feder, auf den wir, sagen wir mal, zumindest in gewissem Maße richtungweisenden Einfluss nehmen könnten, wäre das geringere Übel?«
»Und ein freundliches Entgegenkommen.«
»Nun, dann soll er tun, was er für richtig hält. Er scheint ein vernünftiger Mann zu sein. Aber wappne dich, mein Sohn. Auch die freie Presse ist nicht ohne Tücken, so sehr man die Zensur ablehnen mag. Es gibt Menschen, die seltsame Schlüsse aus dem ziehen, was sie lesen.«
Die Warnung sollte sich als berechtigt erweisen.
Die Macht der Lettern
Freiheit süß der Presse!
Komm, laß uns alles drucken
und walten für und für.
Nur sollte keiner mucken,
der nicht so denkt wie wir.
Johann Wolfgang von Goethe
Josef Nettekoven las den Brief nun zum dritten Mal, und seine Frau Gisa beobachtete, wie sich seine Miene immer mehr verdüsterte. Sie hatte ihn und auch den Zeitungsbericht ebenfalls gelesen und ahnte, was ihren Mann umtrieb.
»Er ist noch immer Alexander Masters, Juppes«, murmelte sie und stellte einen Steinguthumpen vor ihn auf den Küchentisch. Der weiße Schaum des Bieres schwappte über den Rand.
»Er ist Graf von Massow und nichts anderes. Und wir werden gut daran tun, uns entsprechend zu verhalten. Ich weiß nur nicht, wie«, kam es mutlos gemurrt von ihrem Josef.
»Wie immer, denke ich.«
»Das gehört sich nicht, Gisa. Er ist ein vornehmer Herr.«
»Das war er vorher auch.«
»Aber kein Graf.«
»Doch, war er auch.« Gisa setzte sich mit ihrem Korb voller Stopfwäsche zu ihrem Mann und wählte einen Wollfaden aus, um seine Socken zu flicken. »Er hat geschrieben, dass er den Titel nicht verwendet.«
»Das hat damit nichts zu tun. Alle wissen es. Ach, Mist. Gerade hat es angefangen, mit der Fabrik richtig gut zu laufen. Aber ohne ihn werden wir Probleme kriegen.«
»Er hat doch auch geschrieben, dass er geschäftliche Verhandlungen mit dir führen möchte.«
»Was kann ich einem Grafen schon bieten, Gisa. Wir sind ein kleines Unternehmen, und er ist jetzt ein reicher Mann. Er braucht uns nicht mehr.«
»Nicht alle Adligen sind reich.«
»Pah! Sein Vater gehört zu den engsten Beratern des Königs. Der wird ihn schon gebührend ausstatten. In dem Häuschen wird er bestimmt auch nicht mehr wohnen wollen.«
Missmutig schlürfte Jupp Nettekoven sein Bier und starrte aus dem Fenster. Der Winter hatte endlich seine Eiszapfenzähne verloren. Der Schnee war geschmolzen, die Krokusse blühten, und die ersten mutigen Vögel zwitscherten auf den knospenden Ästen des knorrigen Pflaumenbaums vor dem Haus.
Plötzlich lachte sein Weib amüsiert auf.
»Was gibt’s da zu lachen?«, fuhr er sie an.
»Ach Juppes, jetzt weiß ich, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist. Du bist eifersüchtig, das ist alles.«
»Ich? Eifersüchtig? Auf wen?«
»Auf den alten Grafen von Massow. Du hast angefangen, Alexander wie einen Sohn gernzuhaben, Jupp. Und ich auch.
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