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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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bei dem Gedanken an Alexander. Er hatte ihr nie wirklich erzählt, aus welchen Verhältnissen er stammte, und sie war zu höflich, um ihn mit persönlichen Fragen zu belästigen. Unausgesprochenes beherrschte ihre heimliche Beziehung, und nur körperliche Traulichkeit milderte den Mangel an echter Vertrautheit.
    Grafensohn – nun, das mochte das Ende ihrer Liaison bedeuten. Oder auch nicht. Laura fragte sich, ob sie zu kämpfen bereit war.
     
    Dorothea, die sich selten der Mühe unterzog, die Gazetten zu lesen, sondern lediglich hin und wieder müßig das »Magazin des Luxus und der Moden« durchblätterte, erfuhr von der Familienzusammenführung durch die Pfarrersfrau, die ihr mit vor Rührung gluckernder Stimme davon berichtete.
    Dorothea hörte sich den tränenfeuchten Schwulst kommentarlos an und bemühte sich, die bittere Galle nicht in ihre Kehle steigen zu lassen, die ihr hochkam, wenn sie an ihre vertane Chance dachte, Julius von Massow an die eheliche Kette zu legen.
    Verdammte Amara!
     
    Lothar de Haye fand fast ein Jahr nach Erscheinen des Artikels eine zerfledderte deutsche Gazette in einem heruntergekommenen Saloon in St. Louis. Er hätte sie nicht beachtet, wäre sein Führer nicht stundenlang verschwunden geblieben, um einen Passierschein in die Indianergebiete am Missouri aufzutreiben. So aber blätterte er gelangweilt die fleckigen Seiten durch und verweilte bei dem Bericht über die Grafen von Massow. Er war dem Oberst einst flüchtig begegnet, weshalb er sich überhaupt auf die Geschichte konzentrierte.
    Sie berührte ihn seltsam, und auf einmal verspürte er etwas, von dem er geglaubt hatte, es würde ihm nie widerfahren. Es flog ihn ein sehnsüchtiges Heimweh an, der Wunsch, ebenfalls in die Arme einer liebenden Familie zurückzukehren.
    Vielleicht war es an der Zeit …
     
    Maximilian von Briesnitz las den Artikel mit klebrigen Fingern, während der Rübensaft auf dem Labortisch in einem Glastiegel eindampfte. Als das Messgerät die hohe Konzentration an Zucker anzeigte, die seine neueste Züchtung aufzuweisen hatte, warf er die Zeitung achtlos beiseite und vergaß, was immer er über den adligen Ingenieur hatte wissen wollen.
     
    MacPherson las den Bericht nicht.

Kekse für das Proletariat
    Waisenkinder, zwei und zwei,
Wallen fromm und froh vorbei,
Tragen alle blaue Röckchen,
Haben alle rote Bäckchen -
O, die hübschen Waisenkinder!
    Erinnerung an Hammonia, Heine
     
     
    »Die schwarze Hackkrähe hat behauptet, du hättest zwar das Gesicht einer Madonna, aber einen Charakter wie Teufels Großmutter«, erklärte Melisande und rollte den dunklen Teig aus.
    »Manchmal hat Margarethe tatsächlich helle Momente«, antwortete ich ihr. Es war so schön, Melli wieder bei mir zu haben. Aber diese Freude teilten nicht alle Hausbewohner.
    »Die schwarze Kreischhenne dagegen unterstellt dir, lüsterne Blicke auf Pfarrer Gerlach zu werfen.«
    »Das allerdings ist mir eine körperliche Unmöglichkeit. Dieser feiste Mann Gottes flößt mir dieselbe Abneigung ein wie der schmuddelige Schlaginhaufn.« Mit etwas zu viel Kraft knetete ich die nächste Portion Mandeln in den Mürbeteig. Hermine ging uns beiden erheblich auf die Nerven, und ihretwegen hatten Melli und ich die Flucht in die Küche angetreten.
    Vor zwei Wochen hatte Melisande an einem hellen Maitag gänzlich unerwartet, aber mit einem breiten Grinsen und einem schweren Koffer an die Tür des Apothekerhauses geklopft. Glücklicherweise war ich zu Hause, denn Hermine hätte ihr schwerlich Gastfreundschaft gewährt. Melli war zwar nach gängigen Sitten eine durchaus wohlerzogene junge Frau, aber es umgab sie ein Hauch von Bohemehaftigkeit, der den Damen Bevering von Beginn an suspekt war. Anton hingegen schloss sie sogleich ins Herz, vielleicht um mir eine Freude zu machen. Oder auch, weil ihn ihr heiteres Gemüt bezauberte.
    Wie erwartet, hatte ihm der Verlust unseres ungeborenen Kindes weit mehr zugesetzt als mir. Er behandelte mich seit der Fehlgeburt im Herbst mit größter Rücksicht und Zärtlichkeit. Doch einen weiteren Versuch, ein Kind zu zeugen, hatte er nicht mehr unternommen. Wahrscheinlich war er erleichtert darüber, dass Jan Martin ihm den ärztlichen Rat gegeben hatte, um meiner delikaten Gesundheit willen auf seine ehelichen Rechte zu verzichten – was das Ergebnis eines sehr vertraulichen Gesprächs zwischen Jan und mir war, dem ich Antons Bettprobleme anvertraut hatte. Unserer gegenseitigen Zuneigung tat das keinen

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