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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Aber er ist nicht unser Sohn, auch wenn er eine Lücke füllt, die uns beiden sehr wehtut. Aber ich denke, unser guter Freund wird er auch weiterhin sein. Titel hin, Titel her. Und ich gehe morgen rüber und putze sein Häuschen. Er wird ja in den nächsten Tagen eintreffen.«
    »Mhm.« Noch war Jupp Nettekoven nicht ganz beruhigt, aber unterschwellig musste er seinem Weib recht geben. Sie kannte ihn ziemlich gut.
    Vielleicht war es ja doch nicht so schlimm, dass Alexander ein echter Graf war. Aber nur vielleicht.
     
    Karl August Kantholz wartete auf den Zahnarzt, der sich seines maroden Backenzahns annehmen sollte. Es war eines der wiederkehrenden Leiden in seinem Leben, ständig dieser Pein ausgesetzt zu sein. Jedes Mal, wenn er in etwas Süßes biss, zog ein greller Schmerz bis unter die Augen. Wenn Heißes, oder gar, Gott bewahre, Kaltes auf die löcherige Ruine in seinem Kiefer traf, war er kurz davor, wie ein getretener Hund aufzujaulen.
    Im Augenblick war aber der Schmerz einem dumpfen Pochen gewichen, dennoch war Karl August schon wieder kurz davor, aufzuheulen. Grund dafür war der Artikel, den er soeben in der Gazette gefunden hatte. Er stammte aus der Feder dieses revolutionär gesinnten Verlegers, den er sowieso seit Langem mit kritischer Aufmerksamkeit verfolgte, und behandelte eine spektakuläre Familienzusammenführung. Hauptakteur war darin dieser unsägliche Masters. Ausgerechnet der entpuppte sich als Grafensohn. Er knirschte mit den Zähnen, was keine gute Wirkung auf sein Gebiss hatte. Masters Bruder, verdammt noch mal, war Julius von Massow, an den er sich ebenfalls mit Schaudern erinnerte. Was mussten die beiden über ihn gelacht haben, als sie sich getroffen hatten.
    Gallebittere Rachsucht kroch dem Assessor in die Kehle. Dieser scheinheilige Kerl verkündete lauthals, weiterhin Ingenieur bleiben und den Titel nicht verwenden zu wollen. Das schrieb der Defätist Waldegg natürlich mit großem Genuss. Aber Kantholz glaubte nicht daran. Der Titel bedeutete Macht und Ansehen, und kein Mensch schlug seiner Meinung nach ein solches Geschenk aus. Heuchelei, schiere Heuchelei das Ganze. Aber er würde sie entlarven. Irgendwas würde sich finden, um diesen Masters öffentlich bloßzustellen. Einmal Demagoge, immer Demagoge, war seine feste Meinung. Und wie befriedigend wäre es zu sehen, wie der edle Herr Graf mit der Nase so richtig in den Dreck gerieben würde.
    Einen Ansatzpunkt hatte er ja schon gefunden. Die Freundschaft zwischen diesem Institutsangehörigen Jantzen und ihm gab ihm die Möglichkeit, seine Umtriebe weiter zu verfolgen. Masters trieb sich heimlich mit einer – vermutlich verheirateten – Frau herum, diese delikate Information hatte er ja schon erhalten. Es würde ihm auch noch gelingen zu ermitteln, wer sie war. Ein kleiner Hebel, gewiss, aber einer, der weiterführen könnte. Schon morgen würde er seine Spitzel auf ihn und Jantzen ansetzen. Wär doch gelacht, wenn man ihnen nicht einen saftigen Skandal anhängen konnte. Einen, der dem Masters mehr als eine Ehrenstrafe einbrächte. Möge Gott König Friedrich Wilhelm noch lange bei Gesundheit erhalten. Und verhüten, dass sein nachsichtiger Sohn an die Macht kam.
    Mit diesem vaterländisch korrekten Wunsch nahm Karl August auf dem Folterstuhl des Zahnklempners Platz.
     
    Nadina blätterte in der Küche des Cafés die Gazette durch. Am heutigen Tag ging es ruhig zu, denn ein heftiger Frühlingssturm trieb die Menschen von der Straße in ihre Wohnungen, und ein peitschender Regen machte das Flanieren unmöglich. Vier unentwegte Herren, Angehörige der Universität, rauchten gemütlich ihre Pfeifen bei einem Kaffee und disputierten halbherzig irgendwelche spitzfindigen Themen. Daher hatte Nadina sich eines der herumliegenden Blätter mitgenommen und suchte Unterhaltung darin.
    Sie fand tatsächlich einen Artikel, der sie fesselte.
    »Hat er gefunden seinen Vater und Bruder. Melisande! Höre!«
    »Was hast entdeckt, Mamatschka?« Ihre vierundzwanzigjährige Tochter legte ihr Buch nieder und trat hinter ihre Mutter. »Oh, ein Bericht über Alexander Masters? Was ist mit ihm geschehen?«
    »Ist zu seiner Familie gekommen. Gottvater, was für eine traurige Geschichte. Und nie hat er davon erzählt. Verloren bei Waterloo, als kleiner Junge. Der Arme. In einem fremden Land, ganz alleine aufgewachsen. Was muss er vermisst haben seine Mama.« Eine Träne aufrichtigen Mitgefühls rann über Nadinas Wange.
    Staunend las Melisande ebenfalls

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