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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ihrem sanften Klima hervorzubringen wusste. Üppig schaukelten die dunkelroten Glöckchen der Fuchsien im Laub der Büsche, Kamelien in allen Schattierungen von Weiß bis zum tiefsten Rosa schwankten auf ihren hohen Stängeln, Rhododendren breiteten ihr dunkles Laub über smaragdgrünen Rasen, Polster von Glockenheide und Thymian fassten Beete mit blühenden Stauden ein, und gelbe Rosen berankten die graue Feldsteinwand des Hauses. Sogar drei Palmen, etwas windgezaust, gediehen in großen irdenen Töpfen. Aber eine besondere Freude bereitete beiden das kleine Glashaus, in dem Morna empfindliche Farne und Orchideen zog.
    An den Wochenenden ritten sie oft zum Meer und verbrachten Stunden damit, über die bizarren Felsformationen des Giant’s Causeway zu klettern, machten Picknick auf den wie Treppen angeordneten Steinpfeilern und sahen zu, wie die Brandung versuchte, mit geduldigem Zungenschlag den Basalt zu zermürben. Einige von Mornas Freunden boten Jan an, sie auf ihrem Fischfang zu begleiten, und hier lernte er wieder die reine Freude des Segelns kennen. Seine kräftigen Hände, seine Geschicklichkeit mit Tuch und Tau, wurde geschätzt, und bald konnte er die wüsten Lieder mitgrölen, die die nasse, klamme Arbeit mit sich brachte. Morna lachte, wenn er mit Eimern voller Fische zurückkam, und briet sie in fetter gelber Butter.
    An manchen Tagen aber, wenn der Regen wie graue Schleier das Land verhüllte, verbrachten sie die Stunden bei glosendem Torffeuer im Bett, glücklich versunken in ihrer beider inniger Leidenschaft.
    Es war eine Zeit außerhalb jeder Zeit, und in Jan begann eine langsame Wandlung. Er fühlte sich zu Hause auf der Grünen Insel, und je länger er darüber nachdachte, desto mehr reifte der Entschluss in ihm, sie zu seiner Heimat und Morna zu seiner Frau zu machen. Doch vorerst sprach er nicht darüber, sondern begann im Stillen, seine Maßnahmen zu treffen. Der Leiter des Botanischen Gartens war nicht abgeneigt, den jungen deutschen Akademiker in sein Institut aufzunehmen, und als der Vertrag unterzeichnet war, kaufte Jan einen goldenen Ring und fuhr hochgestimmt zurück zum Cottage.
     
    Morna öffnete nicht wie sonst die Tür, wenn sie seine Schritte hörte, und so trat er ein und rief nach ihr. Schweigen füllte das Häuschen, und ein Gefühl der Beklemmung flog Jan an. Neben ihren Schuhen stand ein Korb mit Eiern und Butter, und ihr Umhang hing am Haken darüber. Das war ungewöhnlich.
    »Morna?« rief er noch einmal und ging, als er keine Antwort bekam, um das Haus, um zu sehen, ob sie sich im Garten aufhielt. Doch auch hier fand er sie nicht. Beunruhigt kehrte er zurück und erklomm die Stiege zu ihrem Schlafzimmer. War sie möglicherweise krank geworden?
    In dem Bett auf den weiß bezogenen Kissen lag sie, die dunklen Haare umflossen unordentlich den Kopf, die Hände hielt sie auf der Brust gefaltet, ihr Gesicht war weiß, die Lippen blass, die Lider geschlossen.
    »Morna?«, fragte er leise. »Morna, was ist dir geschehen?«
    Sie reagierte nicht, und als er nach ihrem Puls fühlte, erschrak er. Kaum noch ein Schlag war zu spüren, ihre Hände kühl und schlaff. Auch ihr Atem war nicht mehr erkennbar. Sacht hob er die Bettdecke, um nach ihrem Herzen zu fühlen, und erstarrte.
     
    Sie hielten Totenwache bei ihr, und der Priester versuchte mit den tröstenden Worten seines Glaubens Jans Mauer aus steinerner Trauer zu durchdringen, doch er scheiterte an der trostlosen Leere, die sich in seinen Augen spiegelte. Jemand gab ihm Whiskey, und er trank. Er trank, bis die wehmütigen Balladen, die Mornas Freunde sangen, in seinen Ohren zum Meeresrauschen wurden.
    Dann stand er auf, nahm den Schürhaken, ging hinaus und zertrümmerte das Glashaus im Garten, bis nur noch kleine Splitter übrig waren und die zarten Pflänzchen gebrochen und geknickt den Boden bedeckten.
    Man ließ ihn gewähren, bis Alexander ihm den Schürhaken aus der Hand nahm und ihn an sich zog. In seinen Armen vergoss Jan endlich die bitteren Tränen um seine Geliebte.

Zarte Creme und harte Worte
    Genieße, was dir Gott beschieden,
entbehre gern, was du nicht hast.
Ein jeder Stand hat seinen Frieden,
ein jeder Stand hat seine Last.
    Christian Fürchtegott Gellert
     
     
    Ich war mit meinem Leben zufrieden, auch wenn es einige Wünsche gab, die wohl immer unerfüllbar bleiben sollten. Anton wurde mir mehr und mehr zu einem väterlichen Freund, einen Liebhaber bemühte ich mich nicht zu vermissen. In den vergangenen

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