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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Monaten hatte ich mir zwar einen Platz im Labor erobert, doch Melli verließ uns Anfang Mai. Es war der Preis für ein einigermaßen ungestörtes Familienleben. Antons Bemühungen, seine Schwägerin und seine Tochter zu höflichem Verhalten mir gegenüber zu bewegen, wurde mit der Forderung verbunden, die kleine Kneipenschlampe müsse das Haus verlassen. Anton hatte sich derart aufgeregt, dass ich einen Herzanfall befürchtete. Melli, die auf ihre unnachahmliche Art solche Dinge immer herausbekam – manchmal wurde ich den Verdacht nicht los, sie lausche heimlich an Türen -, kam einige Tage nach diesem Eklat zu mir und kuschelte sich in einen Sessel am Fenster.
    »Jan Martin wird Alexander Masters nach England begleiten.«
    »Ja, ich weiß. Sie haben es uns ja vorgestern erzählt.«
    Die beiden waren auf einen kurzen Besuch vorbeigekommen, um von ihren Plänen zu berichten.
    »Ich habe darüber nachgedacht und Jan einen Brief geschrieben.«
    »Willst du mitreisen?«
    »Hach!«, quiekte sie auf. »Dass mir die Idee nicht früher gekommen ist!« Dann wurde sie wieder ernst und erklärte: »Nein, ich habe ihm angeboten, seine Wohnung während seiner Abwesenheit zu beaufsichtigen. Du weißt doch, er hat diese vielen Pflanzen in den Glaskästen. Und die Vermieterin würde das Grünzeug von Herzen gerne eingehen lassen.«
    »Du hingegen möchtest seine Petunien päppeln, seine Wistarien wässern und seine Gloxinien gießen?«
    »Er findet es eine hervorragende Lösung. Es ist nur schade, denn wir beide werden uns dann nicht mehr so häufig sehen können. Aber für den häuslichen Frieden wäre damit wohl gesorgt.«
    »Ich für meinen Teil würde den Kampf mit den beiden Ziegen ja aufnehmen, aber Anton hält das einfach nicht aus.«
    »Also, damit ist es abgemacht. Ich ziehe nächste Woche nach Bonn, und wir besuchen uns, wann immer es möglich ist. Jan meint übrigens, ich würde bestimmt in einem der Kaffeehäuser oder in einer Gartenwirtschaft eine Stelle finden. Die Studenten sind ein fröhliches Völkchen. Weißt du noch – wie in Potsdam. Das würde mir Spaß machen.«
    Sie hatte also ihren Koffer gepackt, und Anton und ich brachten sie zum Dampfer, der regelmäßig nach Bonn fuhr. Und als Abschiedsgeschenk hatte Melli mir einen im wahrsten Sinne des Wortes wertvollen Rat erteilt.
    »Amara, wenn die blöde Kreischhenne und der dämliche Doktor Hauindreck sich wieder so wegen der Schokoladenplätzchen aufblasen, dann such dir eine andere Beschäftigung. Ich könnte mir vorstellen, dass sich diese wundervolle Salbe aus Kakaobutter, die du für uns immer zubereitet hast, in der Apotheke bestimmt gut verkaufen lässt.«
    Schlaginhaufn hatte sich leider auf Hermines Seite gestellt und behauptet, die Kekse seien für die Kinder gesundheitsschädlich. Um einen weiteren Streit zu vermeiden, hatte ich klein beigegeben. Aber die Idee, eine Gesundheitsschokolade anzufertigen, und nun der Vorschlag, eine zarte Creme herzustellen – dies beides konnten sie nicht verhindern.
    Mit der Entwicklung einer Gesundheitsschokolade hatte ich zuerst begonnen. Ich bat Anton, mir Schokoladenmasse zu bestellen. Es gab noch immer die in Papier gewickelten Tafeln aus unvermischtem, reinem Kakao, der nicht entölt war. Konditoren arbeiteten damit, um Glasuren und Pralinen daraus zu bereiten. In einem erwärmten Mörser vermischte ich also Kakao, Puderzucker und feinsten Talg, nicht Butter, weil der weniger schnell ranzig wurde, bis ich eine Masse erhielt, die angenehm im Geschmack war und bei Zimmertemperatur erstarrte. Anton wollte zunächst drei Ingredienzen in diese Schokolade mischen – Chinin, schmerzstillend und fiebersenkend, Ipecacauana, auch Brechwurzel genannt, ein Brechmittel, und Santonin, ein Wurmmittel, allesamt sehr bittere Stoffe.
    Ganz überdeckte die Schokolade den widerlichen Geschmack natürlich nicht, aber sicher waren die Täfelchen angenehmer einzunehmen als ein gallebitterer Sirup.
    Nach drei Wochen verzeichneten wir erste Erfolge, und ich machte mich daran, aus Kakaobutter eine Gesichtscreme herzustellen. Bisher hatte ich einfach das zarte, gelbliche Fett mit Rosenöl versetzt und damit eine duftende Fettsalbe erhalten. Aber inzwischen hatte ich oft genug beobachtet, wie Anton oder sein Gehilfe aus flüssigem Talg und warmem Wasser eine geschmeidige Mischung herstellten, die als Grundlage für allerlei Heilmittel diente. Ich brauchte nicht viel zu experimentieren – Cremezubereitung war ein Gebiet, wo Küche und Labor

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