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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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hat großen Einfluss auf Ihre Tochter. Und mir kommt es so vor, als ob sie Ihnen nicht besonders wohlgesinnt ist. Nicht nur, weil sie glaubt, Sie seien an dem Tod ihres Bruders schuld.«
    »Nein, da hast du recht, Amara. Sie mochte mich nie, aber solange Friedrich noch lebte, hielt sie ihre Gefühle weit besser im Zaum. Es tut mir so leid, dass du ihren Anfeindungen ausgesetzt bist, Kätzchen.«
    Leider kam es ihm nicht in den Sinn, sie zur Rückkehr in ihr eigenes Heim zu bewegen, und ich wollte zunächst auch nicht darauf drängen. Die Konventionen achtete er sehr hoch, und in ihrer Trauerzeit würde er sie nie des Hauses verweisen. Margarethe nutzte das schamlos aus, war meine Meinung. Also ging ich ihr, so weit es möglich war, entschlossen aus dem Weg.
     
    Doch dann kam es zu einer erneuten Zuspitzung der Lage. Denn im Oktober stand Melli plötzlich wieder vor der Tür. Mager, mit dunklen Ringen unter den Augen und einer verstörten Miene, wie ich sie an ihr noch nie gesehen hatte. Natürlich ließ ich ihr sofort wieder ein Zimmer richten und führte sie ohne Umschweife in meinen kleinen Salon.
    »Melli, was ist passiert? Bist du krank?«
    »Nein, das Einzige, was man mir bescheinigt, ist, dass ich körperlich gesund bin.« Sie zog die Beine an und machte sich ganz klein in dem tiefen Sessel. Es wirkte so jämmerlich und verletzlich, und ihr Anblick gab mir einen Stich ins Herz.
    »Du brauchst eine süße Schokolade mit einem Schuss Rum, Melli. Und dann erzählst du mir alles, einverstanden?«
    Sie nickte, und ich kümmerte mich um das Getränk, das ich aus Hermines üppigen Kakaovorräten bereitete. Sie würde es erfahren und mir wieder Vorwürfe machen, aber diesmal konnte sie mit einer Parade rechnen, die ihr den Atem verschlug.
    Mellis Geschichte war die einer unsäglichen Demütigung. Sie hatte, wie geplant, eine Stelle in einem Lokal angenommen, das überwiegend von Studenten frequentiert wurde. Zunächst arbeitete sie als Serviermädchen, dann aber hatte der Besitzer ihre Fähigkeit als Chansonette entdeckt, und sie hatte jeden Abend ihre Auftritte, die großen Beifall fanden. Natürlich lagen ihr die Verehrer zu Füßen.
    »Aber ich wollte keinen, Amara. Ich mag leichtlebig wirken, aber ich bin wählerisch. Ich flirte gerne, und manchmal poussiere ich auch, aber ich halte mir die Männer auf Abstand. Die Jungs in Bonn sind nicht übel, weißt du. Sie haben es schnell akzeptiert, und wir hatten eine fröhliche Zeit. Aber dann tauchte eines Abends unser alter Bekannter Kantholz in dem Lokal auf. Er ist ja inzwischen Assistent des Kurators, und die Studenten hassen ihn, können aber gegen ihn nichts unternehmen, weil er sie wegen jeder Kleinigkeit anschwärzt. Na, jedenfalls, der Wicht erkannte mich doch tatsächlich. Dabei dachte ich, in Berlin hätte er nur Augen für unsere Ella gehabt. Er hat mich angesprochen. Ich blieb natürlich kühl und höflich und habe ihm ein vages Märchen aufgetischt, ohne deinen Namen zu erwähnen. Denn wenn er wüsste, dass du auch hier bist...«
    »Oh, ja, man sucht mich sicher noch immer. Danke, Melli.«
    »Also, Amara! Du bist meine Freundin! Über meine Lippen kommt kein Wort, das kannst du mir glauben.«
    »Schon gut.« Ich ersparte mir den Hinweis, dass sie mich in diese Lage erst gebracht hatte. Das wusste sie selbst und hatte es bitter bereut. »Was hat Kantholz angerichtet?«
    »Dieser miese Kerl rechnete sich Chancen bei mir aus und verfolgte mich einige Tage mit seinem süßlichen Gesülze. Die anderen lachten immer schon darüber, aber mir war es unangenehm. Wir wissen ja, was für abstruse Neigungen er hat, nicht wahr?«
    Die Uniform fiel mir wieder ein, und ich musste grinsen.
    »Ja, ich erinnere mich. Hat er einen neuen Theaterfundus aufgetan?«
    »Vermutlich. Oder einen Uniformschneider. Jedenfalls musste ich ihm an einem Abend, als er mir nach der Arbeit im Dunklen auflauerte, eine kräftige Abfuhr erteilen.«
    »Verbal oder handgreiflich?«
    »Handgreiflich. Ich hab ihm meine Haarnadel in...mhm … die Juwelen gerammt.«
    »Uch! Na, das war deutlich.«
    »Dachte ich auch. Aber er hat den Spieß umgedreht. Am nächsten Tag hatte ich eine Anzeige wegen Prostitution am Hals.«
    Mir rutschte ein sehr undamenhaftes Wort aus Nadinas herberem Arsenal heraus.
    »Weißt du eigentlich, was das bedeutet?«, fragte Melli und rieb sich die müden Augen.
    »Ehrverletzung.«
    »Schlimmer. Du wirst offiziell als ›Lustdienerin‹ registriert und kriegst Auflagen gemacht.

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