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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Gouvernante in Bayenthal ein, und wenn es auch ein paar unvermeidliche Hemmungen zu überwinden gab, so zeigte sich das Mädchen doch glücklich, ihren Vater wiederzusehen. Mit Fräulein Berit führte Alexander ein sehr langes und intensives Gespräch, um herauszufinden, in welcher Weise Julia sich entwickelt hatte, und was er hörte, gefiel ihm. Die resolute Gouvernante entlockte ihm Respekt, manchmal auch ein erfreutes Lachen, denn sie hatte eine erfrischende Art, die Welt zu betrachten. Von ihr erhielt er auch den Hinweis auf eine geeignete Schule in Köln.
    »Sie nehmen Internatsschülerinnen auf, aber Julia könnte sie auch als Tagesschülerin besuchen, wenn Sie eine geeignete Unterkunft für sie finden. Dann haben Sie die Möglichkeit, sie am Wochenende herzuholen. Ich glaube, Julia täte es gut, einige Zeit mit Ihnen zu verbringen.«
    »Ein bedenkenswerter Vorschlag, Fräulein Berit. Ich werde Waldegg fragen, ob sie unter der Woche bei ihm wohnen kann.«
    »Wenn das nicht möglich ist, wird er sicher Bekannte wissen, denen Sie Julia unbedenklich anvertrauen können.«
    »Und was wird mit Ihnen geschehen, Fräulein Berit?«
    »Sagen wir, ich bin ganz froh, wieder in Köln zu sein. Mein Vater hat anklingen lassen, er sähe es gerne, wenn ich ihm das Haus führen würde. Und mir schwebt vor, an einer Privatschule zu unterrichten. Insofern wäre mir ein gutes Zeugnis aus Ihrer Hand sehr wünschenswert, Herr Masters.«
    Alexander nickte zustimmend. Ihm gefiel die praktisch denkende junge Frau.
    »Sagen Sie, was Sie gerne in dem Zeugnis stehen haben wollen, ich werde es entsprechend umsetzen.«
    »Ich lege Ihnen morgen einen Entwurf vor.«
    »Eine gute Idee.«
     
    Noch eine gute Idee hatte Gisa.
    »Du könntest Frau Bevering fragen, ob sie Julia aufnimmt. Die Schule liegt ganz in der Nähe der Apotheke. Sie wird vielleicht gerne ein junges Mädchen um sich haben, wo sie doch keine eigenen Kinder hat.«
    »Und Amara ist ihr im Alter vor allem näher als Waldeggs. Der Gedanke gefällt mir, Gisa. Ich werde Doktor Bevering umgehend eine Note schicken.«
    Die Antwort kam postwendend und war positiv, Paulas Reaktion darauf negativ. Sie hätte es weit lieber gesehen, wenn ihre Tochter in einem vornehmen Internat untergebracht worden wäre, wo sie als Komtess Julia vorteilhafte Bekanntschaften hätte schließen können. Alexander wischte ihre Einwände fort und beschied ihr mit ruhiger Stimme: »Meine Tochter, liebe Paula, wird als Julia Masters schon ihren Weg machen. Die Ausbildung, die sie erhält, ist solide, ihre besonderen Fähigkeiten werden gefördert. Aber um Sie zu beruhigen, ich habe bereits mit meinen Eltern darüber korrespondiert. Meine Tochter wird die großen Ferien im Sommer auf dem Gut verbringen. Und meine Mutter wird sich beizeiten darum kümmern, sie in der richtigen Form in Berlin in die Gesellschaft einzuführen.«
    Das schien Paula für eine Weile zu besänftigen, und im November brachte Alexander Julia zu Beverings.
     
    Sein Leben hatte sich nach seiner Rückkehr aus England deutlich verändert. Zum einen übernahm er jetzt mit Geschick und Elan die Umwandlung der behäbigen Werkzeugschmiede in eine Maschinenfabrik. Mit den Hydraulikpumpen hatte er sein erstes Standbein errichtet, nun folgten Walzwerke, die in vielen Fertigungszweigen erforderlich waren. Sein erster Auftraggeber war Waldegg, der für seine Druckerei eine Zylinderdruckmaschine installieren wollte. Doch die baute Alexander eher aus Liebhaberei. Der wirklich wachsende Markt entstand durch den Bedarf an Walzstahl, der für den Eisenbahnbau unerlässlich war. Walzwerke wurden aber auch überall dort benötigt, wo zu zerkleinerndes Gut anfiel, und selbstverständlich in der Tuchproduktion, wo sie beispielsweise zum Krempeln der Wolle dienten. Einige Konstruktionszeichnungen hatte er bereits mitgebracht und brannte nun darauf, die Maschinen tatsächlich zu bauen, ihre Wirkungsweise auszuprobieren und in der Praxis womöglich noch zu verbessern. Er verbrachte die meiste Zeit in der Fabrik und überließ Paula weitgehend sich selbst. Sie beklagte sich nicht darüber. Ein Mädchen aus dem Dorf ging ihr zur Hand, und für seine häufigen Fahrten zu Kunden und Lieferanten hatte Alexander ein leichtes Landaulet erstanden. Er kutschierte selbst, aber wenn er das Fahrzeug nicht benötigte, stand es Paula zur Verfügung. Sein Pferdeknecht übernahm dann die Zügel, und sie hatte sich angewöhnt, Julia freitags von der Schule abzuholen. Dabei

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