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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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als Sohn des Hauses behandeln – die Frau Gräfin war etwas ganz anderes. Josef hingegen, der von Alexander etwas mehr über seine Ehe wusste, das aber nicht für nötig befunden hatte, seiner Frau mitzuteilen, begegnete der Fabrikantentochter aus Elberfeld zwar mit Respekt, nicht aber mit devotem Verhalten.
    »Masters wird in ein, zwei Wochen zurückkommen, gnädige Frau. So war zumindest seine Planung, die er mir in seinem letzten Schreiben mitgeteilt hat. Er wird vermutlich nichts dagegen haben, wenn Sie so lange in seinem Haus Quartier nehmen. Gisa wird Ihnen einige Vorräte rüberbringen. Eier, Brot, Speck und so.«
    »Ich... aber...«
    »Und wegen Hannes müssen Sie sich nicht fürchten, gnädige Frau. Der macht den Garten. Er ist ein bisschen blöd, aber ganz harmlos.«
    »Aber...«
    »Josef«, kam ihr Gisa zu Hilfe. »Du kannst doch nicht verlangen, dass Ihre Gnaden dort einen Haushalt führt.«
    »Nein, gnädige Frau? Na gut, wenn Sie nicht für sich alleine kochen mögen, können Sie auch gerne bei uns mitessen. So hat es Alexander auch oft gehalten. Ein Teller Suppe für einen Gast mehr ist immer da, nicht, Gisa?«
     
    Paula hatte die sehr strenge Weisung von ihrem Vater erhalten, nach Bayenthal zu reisen und sich umgehend mit ihrem Mann auszusöhnen. Über seine Anwälte hatte Reinecke herausgefunden, dass Alexander inzwischen Miteigentümer der Nettekovenschen Firma war, sich aber für ein halbes Jahr auf die Britischen Inseln begeben hatte. Den Zeitpunkt seiner Rückkehr berechnete er klug und nahm seine Tochter streng ins Gebet. Paula hatte sich ein bisschen widerspenstig gezeigt. Ihr gefiel das behütete Leben in ihrer Familie. Sie musste sich nicht um den Haushalt kümmern, Julia war sowieso lieber mit ihrer Gouvernante zusammen, und die unbedeutenden gesellschaftlichen Verpflichtungen, denen sie nachzukommen hatte, reichten ihr als Unterhaltung. Das alles sollte sie aufgeben, um in ein schmuddeliges Bauerndorf zu ziehen, wo ihr Gatte vermutlich unter katastrophalen Bedingungen hauste, und ihm das Haus zu bestellen? Ja, möglicherweise sogar wieder im Bett zu Willen sein?
    »Ich glaube, er möchte nicht, dass ich mich ihm aufdränge, Herr Vater.«
    »Du drängst dich nicht auf. Du bist seine Gattin.«
    »Aber...«
    »Er ist jetzt ein Graf, Mädchen. Merk dir das! Du bist eine Gräfin und wirst doch eine solche Stellung nicht kampflos aufgeben, oder?«
    »Ich dachte, er will den Titel...«
    »Kokolores. Er wird schnell genug dahinterkommen, wie wichtig der ist. Du kannst ihn dabei unterstützen. Bist ja noch immer ganz ansehnlich!«
    Auch dieses unerwartete väterliche Kompliment hatte Paula nicht recht überzeugen können. Sie murmelte, Alexander sei ein herzloser Tyrann, der sie unablässig drangsaliert und beschimpft hatte und dem ihre delikate Gesundheit ein ständiger Born des Missfallens war.
    »Ich mag ihn aber nicht«, hatte sie schließlich leise mit gesenktem Kopf gesagt, und Reinecke musste einen Moment gegen die Versuchung ankämpfen, ihr eine erzieherische Ohrfeige zu geben. Dann aber gewann kaltblütiges Kalkül die Oberhand.
    »Gut, Paula, wenn du ihn nicht magst, dann wirst du schon deswegen zu ihm ziehen, weil ich ihn auch nicht mag. Ich hätte da eine Aufgabe für dich.«
     
    Dieser Aufgabe kam Paula in den nächsten Tagen gewissenhaft nach. Sie war in den zweiten Raum unter dem Dach, nicht in Alexanders Schlafzimmer, eingezogen und hatte den Schrank mit ihrer üppigen, sehr modischen Garderobe gefüllt, die sie zu ihrem größten Bedauern nicht tragen konnte. Die Korsetts und die von unzähligen winzigen Knöpfchen geschlossenen Kleider konnte sie leider ohne Zofe nicht anlegen. Und Gisa wollte sie nicht darum angehen, auch wenn sie die gutwillige Fabrikantengattin ansonsten mit allerlei niederen Arbeiten beauftragte. So saß sie denn in Rock und Bluse jeden Tag, solange das Licht reichte, in Alexanders kleinem Arbeitszimmer und schrieb Bestellungen und Aufträge, Kundenlisten und Anfragen ab. Als das erledigt und an ihren Vater abgeschickt war, nahm sie sich die diversen Zeichnungen vor. Was sie darstellten, ob sie wichtig oder richtig waren, konnte sie nicht beurteilen. Aber mit exakten Strichen und einem genauen Auge fertigte sie auch davon Kopien an. Daneben hatte sie auch einen Skizzenblock mit einigen Gartenansichten liegen, den sie bei Bedarf über die technischen Zeichnungen legte.
    Alexander traf zehn Tage nach ihr in Bayenthal ein, und sein erster Gang war

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