Göttertrank
vollständig mit einer dunkelbraunen Glasur überzogen, und als sie ihn anschnitten, enthüllte er einen luftigen Schokoladenteig, der verführerisch duftete. Unter der Glasur aber lag eine Schicht Marmelade, die mit ihrer fruchtigen Säure die bittere Süße der Schokolade so köstlich ergänzte, dass eine andachtsvolle Stille am Tisch herrschte.
»Frau Amara ist eine Künstlerin«, flüsterte Gisa ergriffen. »Eine wahre Künstlerin. Wie bekommt sie nur diese Glasur hin? Sie ist so schmelzend und doch fest.«
»Das ist ihr Geheimnis, sagt sie. Aber so geheim ist es eigentlich nicht. Sie macht auf die gleiche Weise auch die Gesundheitsschokolade für die Hofapotheke.«
»Verkauft die Apotheke jetzt auch Schokolade? Das ist mir neu«, meinte Juppes und tupfte mit dem Finger die letzten Kuchenkrümel auf.
»Damit verdient Frau Amara ihr Geld, Herr Nettekoven. Mit der Kakaobuttercreme und der Schokolade, in der Medikamente sind.«
Alexander nickte. Jan hatte Amara zu dem Kontakt mit dem jungen Apotheker verholfen, der die Idee Beverings zunächst skeptisch, dann aber mit wachsender Begeisterung aufgegriffen hatte. Neben den Konditorwaren, die sie herstellten, war die Produktion von Kosmetika und medizinischer Schokolade eine solide Einnahmequelle der beiden aufstrebenden Unternehmerinnen geworden.
»Mama hat sich auch von den Schokoladenpastillen mitgenommen. Sie sagt, sie helfen ihr gegen ihre Nervositäten«, erklärte Julia. »Doktor Jan sagt, es sind Hanfextrakte darin, und wenn sie nicht zu viel nimmt, ist das in Ordnung.«
Mit einer milden Erheiterung dachte Alexander an Jans Exkursen zur Wirkung von Hanfblüten, die er gleich am ersten Abend ihres Kennenlernens zum Besten gegeben hatte. Er hatte sich ein paar Mal eine Pfeife mit dem berüchtigten Knaster gefüllt und konnte nachvollziehen, warum sein Weib die Wirkung auf ihre gereizten Nerven als lindernd empfinden mochte. Gefährliche Nebenwirkungen waren wohl nicht zu erwarten, und wenn die Nascherei denn ihre Stimmung hob, wollte er sich nicht daran stören. Es war auf jeden Fall besser als das Laudanum-Fläschchen, das früher so oft ihre Begleiterin war.
»Der Herr von Briesnitz hat uns heute Mittag wieder zum Essen ausgeführt«, plapperte Julia nun unverdrossen weiter. »Wir waren im Schaumburger Hof. Und wisst ihr, da hat vor zwei Jahren die englische Königin Victoria ihren Gatten kennengelernt. Herr von Briesnitz hat die Geschichte erzählt, und Mama war, glaube ich, sehr glücklich darüber, in einem Restaurant zu essen, in dem schon mal eine Königin gespeist hat.«
»Sie wird sich königlich gefühlt haben«, murmelte Alexander leise. Er hatte nichts gegen Maximilian, er war ein tüchtiger Botaniker mit einem ausgeprägten Sachverstand fürs Machbare, und über Zuckerfabriken hatten sie im Freundeskreis schon oft gefachsimpelt. Seine rührende Verehrung Paulas nahm er ihm nicht übel. Er hatte, seit Jan die Beziehung mit Melisande eingegangen war, seine schwärmerische Zuneigung auf sie übertragen, denn offensichtlich sprach ihre ätherische Hinfälligkeit seine ritterlichen Gefühle an.
»Und Herr von Briesnitz hat auch gesagt, seine Schwester würde ihn demnächst besuchen kommen. Sie heißt Dorothea von Finckenstein. Aber ihr Gemahl ist kürzlich verstorben.«
Aus Kindermund eine sehr geschraubte Formulierung, fand Alexander.
»Eine Witwe wird naturgemäß Zuflucht bei ihrer Familie suchen«, antwortete er mit möglichst neutraler Stimme.
»Ja, aber sie will auch nach Godesberg und da eine Kur machen.«
»Sicher ein guter Grund. Das Wasser des dortigen Brunnens hat schon vielen Leidenden geholfen«, war die zustimmende Meinung Gisas, die selbst einmal zwei Wochen dort verbracht hatte, um eine hartnäckige Wintergrippe auszukurieren.
Alexander verkniff sich eine Bemerkung dazu. Von Max hatte er eine eigenartige Geschichte gehört. Dorotheas Gatte war auf einer Reise nach Greifswald plötzlich und unerwartet verstorben, und der ihn begleitende Kammerdiener war mit seinen Effekten auf und davon. Man verdächtigte ihn des Raubmordes. Es hatten viele Untertöne in Maximilians kurzem Bericht mitgeschwungen, die Alexander nicht zu genau hinterfragen wollte. Er ließ dieses Thema auf sich beruhen, und prompt bot seine Tochter ihm das nächste an. In der folgenden Bemerkung schwang nun Empörung mit, und Julias Wangen röteten sich, was auf einen schulischen Konflikt hindeutete.
»Fräulein Färber hat Christina und mich ermahnt, Frau
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