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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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nicht gesagt. Wollte es ihr erst sagen, wenn alles geklärt war. Ich hatte gute Aussicht auf eine Stelle an der Universität in Belfast. In dem botanischen Garten dort. Ich fuhr für drei Tage dorthin, um über den Vertrag zu verhandeln, und kaufte ihr dann einen Ring. Als ich zurückkam... als ich ins Haus kam... Ich fand sie im Bett. Verblutend.«
    »Du hast nicht gewusst, dass sie schwanger war?«
    »Nein. Ich, ein Arzt, ich habe die Anzeichen übersehen.«
    »Hättest du ihr helfen können, wenn du es gewusst hättest?«
    »Natürlich! Es wäre nie so weit gekommen. Oh, hätten wir doch nur miteinander geredet! Sie glaubte, ich wolle abreisen, sie verlassen. Deshalb hatte sie mir die Schwangerschaft verschwiegen. Um mich nicht zu halten. Aber mit einem Kind – es wäre wohl eine zu große Schande für sie gewesen. Sie hat selbst versucht, es abzutreiben. Und sich verwundet. Sie starb, ohne mich noch einmal angesehen zu haben. Es ist meine Schuld. Ich habe sie und das Kind umgebracht.«
    Er bemerkte, wie Mellis Hand seine feuchten Wangen streichelte, und vergrub seinen Kopf in ihrer Umarmung.
    »Schlaf, Jan. Es ist vorbei. Schlaf, Jan Martin. Ganz ruhig, mein Liebster, mein Herz . «
    »Ich kann nicht schlafen.«
    »Doch, jetzt kannst du es.«
    Er schlief.
     
    Als er erwachte, war das Zimmer von grauem Tageslicht erfüllt, und der Wind rüttelte an dem Fenster. Mühsam sammelte er seine Erinnerungen zusammen und sah sich nach Melisande um. Ihr Nachthemd hing über dem Stuhl, seine Sachen lagen gefaltet darauf. Im Haus hörte man leise, arbeitsame Geräusche, und der Geruch von frischgebackenem Kuchen kroch durch die Tür. Die beiden Frauen gingen ihrem Tagesgeschäft nach und hatten ihn schlafen lassen. Langsam stand er auf und stellte erleichtert fest, dass der Rotwein von guter Qualität gewesen sein musste. Nachwirkungen zeitigte er zum Glück nicht. In Amaras und Mellis Haus war er oft genug gewesen, als es renoviert worden war, und so fand er sich auf der oberen Etage schnell zurecht. Gewaschen und angezogen ging er kurz darauf die Treppe hinunter und erhielt in der Küche von Amara einen freundlichen Morgengruß. Ein Anflug von Verlegenheit brachte ihm die Röte in die Wange, aber sie wies nur mit dem Ellenbogen auf die Kaffeekanne, die Hände hatte sie tief in einem Knetteig vergraben.
    »Melli hat Max ein kaltes Bad verordnet, damit er seinen Kopf wiederfindet.«
    »Max – oh, den hatte ich völlig vergessen.«
    »Ich fand ihn in der Früh, doch seines Menschseins war er sich noch nicht ganz sicher. Vermutlich fühlte er sich wie etwas, das Puschok reingeschleppt hat.«
    »Geschieht ihm recht.«
    Melisande kam mit einem Schwall kühler Luft in die Küche und lächelte ihn an.
    »Ausgeruht?«
    »Ja«, sagte Jan Martin. Und dann erkannte er, dass eine drückende Last erträglich geworden war. Verlieren würde er sie nie, aber er konnte sie tragen. »Ja, Melli. Danke.«

Julias Erzählungen
    Die Welt ist nicht aus Brei und Mus geschaffen,
deswegen haltet euch nicht wie Schlaraffen;
harte Bissen gibt es zu kauen:
Wir müssen erwürgen oder sie verdauen.
    Johann Wolfgang von Goethe
     
     
    Alexander stand vor der Maschinenhalle und beobachtete, wie seine Tochter aus der Kutsche stieg. Ihr folgte Paula mit dem üblichen mürrischen Gesichtsausdruck. Ihr gefiel es nicht, dass Julia die nächsten drei Wochen in Bayenthal verbringen würde, aber für eine Reise nach Evasruh war die Ferienzeit zu knapp bemessen. Er hingegen freute sich auf die Zeit des Zusammenseins während der Osterfeiertage und hatte seine Arbeiten entsprechend geplant.
    Das Unternehmen florierte. Sie fertigten inzwischen Walzund Rührwerke unterschiedlichster Art, ihre weiter verbesserten Hydraulikpressen fanden großen Absatz, und nun war Alexander dabei, seinen nächsten großen Traum zu verwirklichen – den Bau von leistungsfähigen, möglichst kleinen Dampfmaschinen. Dazu hatten sie eine weitere Halle angebaut, und hier standen zwei Prototypen, an denen er seine Messungen vornahm, Veränderungen ausprobierte und mit den von ihm entwickelten Techniken experimentierte. Josef Nettekoven hielt sich aus diesem Geschäft vollkommen heraus, aber zwei junge Ingenieure hatten sich eingefunden, die mit Feuereifer an Schwungrädern, Kolben und Ventilen werkelten. Der einzige Schatten, der über die emsige und erfolgreiche Arbeit fiel, war die Tatsache, dass sie in den vergangenen Monaten einige Kunden verloren hatten, die bereits feste

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