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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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weil die ein sündiges Leben führt.«
    Diesen Ruf hatte sich Amara also inzwischen eingehandelt. Alexander unterdrückte eine für Tochterohren nicht geeignete Bemerkung über Bigotterie und Neid.
    »Ich kann mir das zwar nicht gut vorstellen, denn ich halte Frau Amara und Fräulein Melli für sehr anständige und fleißige Damen.« Die ihre Affären mit der notwendigen Zurückhaltung pflegten, fügte er in Gedanken hinzu. Laut sagte er: »Ich denke, ich werde sie in den nächsten Tagen besuchen, um ihre Meinung dazu zu hören.«
    »Ja, Papa. Ich meine, liegt es daran, dass Doktor Jan manchmal mit Fräulein Melli schmust?«
    So viel zur Diskretion, aha!
    »Ist das etwas, was deinem Fräulein Färber zu Ohren gekommen ist?«
    Julia zuckte mit den Schultern. »Glaub ich nicht. Ich hab’s ja auch nur einmal gesehen, hinten im Garten. Zufällig, ehrlich. Aber vielleicht ist es Frau Amaras Freund, weshalb sie sie die ›lustige Witwe‹ nennen.«
    Alexander verspürte den zweiten Stich an diesem Abend.
    »Sie hat einen Freund? Das ist mir neu. Aber warum nicht, vielleicht will sie wieder heiraten. Sie ist ja noch eine junge Frau.«
    »Doch, sie hat einen. Er ist ein ulkiger Mann, ganz groß, mit einem buschigen Bart, nicht so schön gewellt wie der von Doktor Jan. Sie nennt ihn Mac, und er reist herum, um Bestellungen zu sammeln. Für Kakao und Gewürze und Kaffee und so.«
    Ein Handlungsreisender – vermutlich der, der sie in Elberfeld aufgesammelt hatte, schlussfolgerte Alexander vollkommen richtig. Nun, das war ihre Angelegenheit.
    Ausschließlich ihre. Nicht seine.
    »Papa, warum machst du so ein grimmiges Gesicht?«
    »Weil ich das Geklatsche und die Gerüchte nicht besonders schätze. Wenn Frau Amara mit einem Handlungsreisenden Geschäfte macht, dann gehört das zu ihrem Beruf und sollte nicht zu üblen Spekulationen Anlass geben.«
    »Das ist bestimmt richtig. Ich war dabei, als die beiden über die Preise für Schokolade gefeilscht haben. Frau Amara kann höllisch gut rechnen.«
    »Das sollte tunlichst jeder, der einen Laden führt.«
    »Sie hat mir mal gezeigt, wie man den Preis für die Kuchen ermittelt.« Nachdenklich kräuselte Julia ihre Nase. »Sie behauptet, die Schokolade könnte viel billiger sein, wenn sie in Fabriken hergestellt würde. Stimmt das, Papa?«
    »Wenn Frau Amara das sagt, würde ich darauf wetten. Sie kennt sich mit dem Kakao und den Herstellungsschritten ausgesprochen gut aus.«
    »Warum baust du dann nicht eine Schokoladenfabrik? Das könntest du doch bestimmt.«
    »Dein Vertrauen in meine Fähigkeiten ehrt mich, Julia. Nur, ich fürchte, das ist momentan ein zu großer Happen für mich. Gehen wir zurück, es wird kühl.«
    Aber die Idee war nun ausgesprochen, und sie begann leise Wurzeln zu schlagen.
    Leider hatte auch der andere Keimling fruchtbaren Boden gefunden, und sehr zu Alexanders Verdruss wollte die Frage nach Amaras Liebesleben sich nicht restlos verbannen lassen.
    Warum eigentlich nicht, verflixt noch mal?

Zartbittere Versuchung
    Die süße Näscherei, ein lieblich Mündleinkuß, macht zwar niemand fett, stillt aber viel Verdruß.
    Friedrich von Logau
     
     
    Ich hatte ihn wieder gehen lassen.
    Der vertraute Schmerz durchwebte meine Gefühle – Trennung, Abschied, Ungewissheit.
    Vom Salonfenster aus blickte ich Alexander nach, der Richtung Marktplatz ging.
    »Amara?« Melisandes Arm legte sich um meine Taille.
    »Er hat mich eingeladen, mit Julia zusammen an der Feier zur Grundsteinlegung des Doms in Köln teilzunehmen. Ich habe Desinteresse geheuchelt.«
    »Ich erinnere mich daran, schon mehrmals erwähnt zu haben, dass du dumm bist, Amara. Du bist in ihn verliebt, genau wie du es vor Jahren einmal in seinen Bruder warst. Julius hast du fortgeschickt, weil du dich nicht für ebenbürtig gehalten hast. Fand ich damals zwar auch schon idiotisch, aber ich konnte es trotzdem verstehen. Fabrikant Alexander Masters aber und du, die Witwe Doktor Bevering, ihr begegnet euch auf gleicher Ebene.«
    »Er ist verheiratet, und er wird es Julias wegen auch bleiben.«
    »Himmel hilf, was macht das für einen Unterschied?«
    Ich seufzte. In einem Punkt würden Melli und ich uns nie verstehen. Sie liebte die Männer, leichtherzig, unverbindlich und mit größtem Vergnügen. Sie war nicht wirklich flatterhaft. Ihre Affäre mit Jan dauerte inzwischen schon ein Jahr an und schien beiden Seiten wenig Probleme zu bereiten. Sogar die Klatschmäuler hatten ihre Aufmerksamkeit skandalöseren

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