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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Amara und Fräulein Melli nicht zu besuchen. Aber ich geh trotzdem hin. Christina nicht, die ist feige.«
    Das ließ auf tiefere Beweggründe schließen, und hier hieß es, Delikatesse walten zu lassen.
    »Darüber reden wir später, Julia. Ich glaube, wir sind jetzt alle gesättigt, und du darfst Gisa helfen, den Tisch abzuräumen. Ich werde mit Juppes inzwischen draußen eine Pfeife rauchen.«
    Gehorsam sammelte Julia die Teller zusammen und folgte Gisa in die Küche. Die beiden Männer stopften ihre Rauchgeräte.
    »Ein aufgewecktes Mädchen, deine Kleine.«
    »Ja. Manche Dinge sieht sie sogar zu scharf. Paula kommt nicht gut mit ihr zurecht. Ihr gegenüber ist Julia immer störrisch. Nun ja, das ist wohl auch meine Schuld.«
    Sie schlenderten in den Garten, wo einige mutige Narzissen den Boden durchbrochen hatten, um die Osterzeit einzuläuten.
    »Du bist ein junger Mann, Alexander. Es ist nicht recht, dass du so leben musst.«
    Nur selten mischte sich Juppes in seine privaten Angelegenheiten, und die Bemerkung traf Alexander wie ein böser Stich. Ja, er hatte sich von Laura getrennt, nachdem Paula bei ihm Einzug gehalten hatte. Er vermisste ihre freundschaftlichen Gespräche, ihre Zärtlichkeit und ihre klugen Bemerkungen. Es gab Zeiten, da überlegte er ernsthaft, ob er nicht alle gesellschaftliche Rücksichtnahme über Bord werfen und sich offen eine Geliebte nehmen sollte. Dann aber wiederum dachte er an Julia, die möglicherweise darunter zu leiden hatte, und er unterließ es.
    »Lass nur, Jupp. Ich werde damit schon fertig.«
    »Ich dachte ja nur.«
    »Ich weiß.«
    Schweigend sogen sie an ihren Pfeifen und blickten über die Felder, die sich bis zum Rhein erstreckten. In den letzten Jahren hatte der kleine Ort angefangen, sich zu verändern. Die Fabrik war größer geworden, sie beschäftigten jetzt etliche Leute mehr als zuvor. Am Fluss war eine neue Anlegestelle gebaut worden, damit die Materiallieferungen einfacher ins Lager transportiert werden konnten. Eine Eisengießerei hatte sich am Rhein unten etabliert, und zwei Holzmühlen hatten ihren Betrieb aufgenommen. Sie selbst hatten die Gebäude erweitert, Wege angelegt und Land dazugekauft, um eine spätere Expansion möglich zu machen. Aber es waren auch zahlreiche Häuser dazugekommen, die von den Arbeitern bewohnt wurden, ein neuer Kramladen hatte sich angesiedelt, mehr Bauern brachten ihre Waren auf den Markt – kurzum, die neue Zeit begann allmählich den verschlafenen Vorort Kölns zu prägen.
    »Hätte ich nie gedacht, dass wir so weit kommen würden, Alexander. Ich meine, ich mit meiner kleinen Schmiede! Der Junge, ja, der hatte große Ideen, aber er hätt’s auch nicht geschafft.«
    Der blaue Rauch des Tabaks kräuselte sich in der kühlen Frühjahrsluft, während die Schatten länger wurden.
    »Wir haben Teil an einer gewaltigen Umwälzung, Jupp. Fast so etwas wie eine Revolution, doch nur viel leiser. Es wird die Landschaft verändern, die Orte, die Menschen. Wir werden schneller Entfernungen überwinden und Nachrichten austauschen. Manches wird vielleicht darüber verloren gehen. Anderes wird leichter zur Verfügung stehen und billiger werden. So wie jetzt schon die maschinengewebten Stoffe.«
    »Es macht mir Angst, Alexander. Dir nicht?«
    »Nein. Oder besser – nicht sehr viel. Ich glaube, wir Ingenieure werden für viele Probleme Lösungen finden. Möglicherweise sogar Maschinen schaffen, die nicht solche stinkenden Schwaden produzieren!« Er wies auf ein vorbeigleitendes Dampfschiff, dessen rußige Rauchfahne in der Luft zerflatterte.
    »Ja, Gisa schimpft auch immer über den Ruß aus dem Schornstein, der ihr die Wäsche grau macht. Na ja, so sind Frauen eben. Da kommt deine Julia.«
    »Fertig mit der Küchenarbeit?«
    »Ja, Papa.«
    »Wollen wir noch ein Stück zum Rhein hinuntergehen?«
    »Gerne.«
    Bereitwillig passte sie ihre Schritte an und gab ihm einen schnellen Überblick über den neuesten Küchenklatsch. Er ließ sie plaudern, kam aber dann auf seine eigentliche Frage zurück.
    »Du hast einen Akt des Ungehorsams begangen, deutetest du vorhin an.«
    »Du meinst, weil ich Frau Amara weiter besuche?«
    »Richtig.«
    »Darf ich das nicht?«
    »Doch, von meiner Seite aus darfst du das. Wir müssen nur überlegen, wie wir die Mahnung deines Fräuleins Färber entkräften können.«
    »Sie sagt, Frau Amara sei kein Umgang für ein sittsames Mädchen. Und Christines Mama hat gesagt, Chrissi darf nicht mehr zu der lustigen Witwe,

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