Göttertrank
dass der Löffel drin steht.«
Jan beobachtete, auch wenn gleichfalls vom Punsch benebelt, wie sie bereits die Glut im Herd wieder anfachte und den Kessel aufstellte. Melli war schon eine patente Frau. So klein und zierlich, aber zielstrebig und energisch. Und großherzig. Nicht jede junge Frau würde zwei angetüdelte Akademiker in ihre Küche lassen und versuchen, ihren Verstand wieder an die richtige Stelle zu schütteln. Der Duft frisch gemahlenen Kaffees alleine belebte ihn, wohingegen Max ein Opfer der Herdwärme wurde. Sein Kopf sank auf seine verschränkten Arme auf der Tischplatte, und der Schlaf übermannte ihn.
»Eine Leiche mehr. Wir werden ihm ein Lager neben Puschok richten. Der ist nicht wählerisch, was seine Bettgenossen anbelangt«, konstatierte Melisande und schenkte den frisch aufgebrühten Kaffee in zwei Becher.
»Danke«, murmelte Jan und verbrannte sich am ersten Schluck die Zunge. Doch das Coffein belebte ihn wie erwartet, und als seine Gastgeberin mit zwei Decken und einem Kissen zurückkam, war er in der Lage, Max auf das provisorische Lager zu betten. Dann goss er sich eine zweite Tasse ein und setzte sich zu Melli, die an ihrem Kaffee nippte.
»Er ist in dich verliebt.«
»Ich weiß. Aber ich nicht in ihn. Er ist ein lieber Kerl, Jan. Ich mag ihn, aber – nein, verliebt bin ich nicht in ihn.«
Das Herdfeuer hatte die Küche wohlig erwärmt, die Flamme der Petroleumlampe war heruntergeschraubt, Kaffee-, Vanille- und Kakaoduft hingen in dem Raum, und aus dem Weidenkorb neben dem Holzstapel drang ein leises Schnurren. Jan schloss die Augen. Er war müde, wie so oft. Müdigkeit war sein ständiger Begleiter. Frieden, wie hier in diesem Raum, empfand er selten. Aber er durfte nicht einschlafen.
Mühsam öffnete er die Lider und sah, dass Melli ihr Umschlagtuch abgelegt hatte. Nur in ihrem dünnen Nachthemd bekleidet stand sie neben ihm und fuhr ihm nun auch noch durch die Haare.
»Jan, mein Freund, komm mit nach oben.« Es war eine leise, sanfte Einladung.
Was weder Nachtkälte noch Coffein bewirkt hatten, ihre Stimme tat es. Jan wurde augenblicklich nüchtern.
»Nein, Melli. Das kann ich nicht.«
»Doch. Du kannst.« Geschmeidig schlüpfte sie auf seinen Schoß und legte ihre Arme um seinen Nacken. »Du willst auch, mein Lieber.«
Er wäre ein Idiot, das nicht selbst zu bemerken. Aber er durfte es nicht.
»Jan, wehr dich nicht«, flüsterte es an seinem Ohr, und ein zarter Kuss berührte seine Schläfe. Sie roch so gut, nach süßen Mandeln und irgendwelchen Blüten. Er wollte es nicht, aber seine Hände lagen plötzlich um ihre Taille. Wie klein und zierlich sie war, war alles, was er noch denken konnte.
»Zwei Treppen hoch, Jan. Das schaffst du.«
Ja, er schaffte es, natürlich. Er schaffte es auch, seine Stiefel und seine Jacke auszuziehen, sie half ihm bei Hemd und Hose, und mit zielstrebigen Bewegungen lockte sie ihn unter die Decke.
Süß, ja, das war sie. Ein Püppchen, doch lebendig und erhitzt. Mit Tausenden von Fingern, unwiderstehlich.
Jan Martin gab seine Abwehr auf und verlor sich in ihren Zärtlichkeiten.
Dann schlief er ein.
Und wie üblich weckten ihn die Träume. Diesmal umso schlimmer, denn als er aus ihnen auftauchte, hielt er einen atmenden, weichhäutigen Körper in seinen Armen und roch wieder den verwirrenden Duft einer Frau.
»Morna!«
Es war beinahe ein Schluchzen. Eine Hand strich über seine Stirn.
»Jan, mein liebster Freund, es ist an der Zeit, es mir zu erzählen.«
»Melli – Gott, was habe ich getan?«
Sie lachte leise und rückte näher an ihn heran. »Was jeder gesunde Mann dann und wann macht.« Sacht schob sie ihren Arm unter seinen Hals und fragte mitfühlend: »Was ist geschehen, Jan? Was ist in Irland passiert, dass du solche Angst vor dem Zusammensein mit einer Frau hast?«
Er brummte nur ablehnend, aber sie ließ sich nicht abweisen.
»Sie ist gestorben, nicht wahr? Deine Morna ist gestorben. Und du konntest es nicht verhindern. Deine Frau ist zusammen mit deinem Kind gestorben, habe ich recht?«
»Sie war nicht meine Frau.«
»Oh, ich glaube doch. Es gehört nicht immer ein Trauschein dazu, um aus zwei Menschen Mann und Frau zu machen.«
Er schwieg, aber er bemerkte, wie krampfhaft er seine Finger in Mellis Haaren vergraben hatte. Als er sie lockerte, bewegte sie den Kopf ein wenig.
»Ich wollte sie heiraten.« Hier im Dunkel des Zimmers kamen auf einmal die Worte. »Ich wollte sie heiraten, Melli. Aber ich habe es ihr
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