Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht

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würde.
    Einen sachkundigen Gelehrten, den keine Schüchternheit mehr plagte.
    Einen erfolgreichen Arzt, der den Menschen Hilfe brachte.
    Einen mutigen Forscher, der zu neuen Ufern aufbrach.

    Den stolzen Wikinger, nach dem sich die Frauen umdrehten, den sah er nicht.
    Dazu musste noch sehr viel Zeit vergehen.

Bruchstücke
    Die Begierde ist nach der Erfüllung der Wünsche ebenso ungestillt, wie sie es vorher war.
    Martin Luther


    Auch ein anderer junger Mann stellte die Weichen zu seiner Zukunft, aber, wie es seinem Charakter entsprach, in weit weniger friedfertiger Form. Nach dem Unglück in der Weberei war Alexander erschüttert, aber noch immer unnatürlich gefasst in die Wohnung zurückgekehrt, die er mit Thornton Harvest geteilt hatte. Dort aber sah er sich plötzlich verloren um und begann zu zittern. Zwei Tage und Nächte verbrachte er in hilfloser Panik, von Albträumen gehetzt, vor Schreckensbildern verfolgt, von Schuldgefühlen gepeinigt.
    Am dritten Tag raffte er sich auf und fällte eine Entscheidung.
    Er musste aus der Wohnung. Fort von dem Leben, das zerstört worden war. Er brauchte einen neuen Beginn. Wie, darauf hatte er noch keine Antwort gefunden, aber sie sollte auf jeden Fall jegliche Erinnerung an die beiden letzten Jahre auslöschen.
    Er packte wieder einmal seine Habseligkeiten zusammen, nahm seine Ersparnisse und das Bargeld, das Harvest in seiner Schublade aufbewahrt hatte, sowie dessen kleine Schmuckstücke an sich. Dann verließ er das Haus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Inzwischen kannte er London weit besser als bei seinem Eintreffen vor fünf Jahren. Er war stärker und klüger geworden und hatte eine grundlegende Vorstellung davon entwickelt, was er nicht wollte. Nie wieder in dem Elend leben, das er bei Wallys Familie kennengelernt hatte. Und doch würde er alle erdenklichen Schwierigkeiten in Kauf nehmen, um das zu erreichen, was er als das Erstrebenswerteste auf der ganzen Welt hielt – Maschinen zu bauen.
    Und diese Schwierigkeiten türmten sich wie schier unüberwindliche Barrikaden vor ihm auf. Zunächst einmal benötigte er eine Unterkunft. Er fand nach langem Suchen eine Bleibe, die er sich leisten konnte, in der Hafengegend, in der Nähe der Werften. Es war kaum mehr als ein Verschlag mit einem zugigen Fenster und einem altersschwachen Bett, aber er musste ihn mit niemandem teilen. Ein kleiner Ofen befand sich auch darin, und da er sich bei Harvest so nützliche Fähigkeiten wie die Grundzüge des Kochens erworben hatte, konnte er darauf wenigstens einen Haferbrei und Tee zubereiten. Von Porridge konnte man sich ganz gut ernähren, selbst wenn das Zeug den Geschmack beleidigte. Er bemühte sich auch, seine Kleider und sich selbst reinlich zu halten, was in der schmutzigen Umgebung nicht einfach war. Aber wenn er in den Fabriken vorsprach, durfte er nicht verlaust und staubig aussehen.
    All diese Mühe war vergebens. Die Weberei war zerstört, die Arbeiter entlassen, der Fabrikant am Rande des Ruins. In anderen Unternehmen, die sich entweder mit dem Bau von Maschinen befassten oder Maschinen einsetzten, wollte niemand einen namenlosen jungen Mann ohne Verbindungen, ohne Papiere, ohne Referenzen als Lehrling einstellen.
    Alexander saß manchen Abend in stummer Verzweiflung an der Themse und sah den Schiffen nach, die in den Hafen ein- oder ausfuhren. Er erwog sogar, auf einem davon anzuheuern, aber das Meer ängstigte ihn. Nach einem Monat machte er schließlich Kassensturz und zog die Konsequenz. Er musste Geld verdienen, egal womit.
    Da seine Fähigkeiten als Maschinist nicht anerkannt wurden, besann er sich auf das, was er zuvor getan hatte. Mit Pferden konnte er hervorragend umgehen, und die Posthaltereien und Pferdewechselstationen suchten immer Burschen für die Stallarbeit. Er fand tatsächlich eine Beschäftigung mit schlechter Bezahlung, die durch gelegentliche Trinkgelder aufgebessert wurde. Immerhin konnte er sein dumpfes Zimmerchen gegen eine Unterkunft über den Ställen tauschen und bekam sein Essen, auch wenn es oft nur Reste waren, aus der Küche des Gasthofs. Sein eigentliches Ziel verlor er nicht aus den Augen, und an seinen freien Tagen klapperte er die Fabriken weiter ab, blieb aber erfolglos. Mehr Chancen hatte er bei dem weiblichen Personal, und eine Weile lenkten erstaunliche neue Erfahrungen mit diesem geheimnisvollen Geschlecht ihn von seiner Suche ab. Da seine Erwählte in der Küche arbeitete, verbesserte sich seine