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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sich nicht ganz sicher, was dieser Offizier von ihm wollte. Andrerseits – man musste Chancen nutzen, und möglicherweise war dies hier eine unerwartete. Da ihm inzwischen klar geworden war, dass er nur mit Referenzen seinem Ziel näher kommen konnte, würde er versuchen, den Colonel darauf anzusprechen. Obwohl er sich nur geringe Hoffnung machte, dass ein Kavallerie-Soldat irgendwelche Beziehungen zu Maschinenfabrikanten hatte. Immerhin – man würde sehen.
     
    Eine Stunde später tauchten die beiden Offiziere wieder auf, und Dettering winkte Alexander zu sich.
    »Was hältst du von einem Bier?«
    »Recht viel, Mylord.«
    »Dann wollen wir uns ein Gasthaus suchen.«
    Im Horse and Dog gab es nicht nur gutes hausgebrautes Bier, sondern auch für jeden einen Teller mit kaltem Braten, was der hungrige Alexander besonders begrüßte. Doch er besann sich auf fast vergessene Manieren und schlang nicht, wie sonst, das Essen mit großen Happen in sich hinein. Sein Gastgeber beobachtete ihn, und als er Messer und Gabel ablegte, um einen Schluck aus dem Krug zu nehmen, nickte er beifällig.
    »Für einen Stallburschen hast du ungewöhnlich gepflegte Tischsitten. Ich meine mich dunkel entsinnen zu können, dass Finley dich aus einem Leichenhaufen bei Plancenoit geklaubt hat. Er hat einmal so etwas erzählt. Dieser Tag heute dürfte dir wie mir nicht in so wünschenswerter Erinnerung geblieben sein, wie die protzige Zurschaustellung der siegreichen Truppen es dem Volk vermitteln möchte.«
    »Nein, Mylord. Wahrhaftig nicht.«
    »Wie bist du in den Schlamassel geraten?«
    »Ich weiß es tatsächlich nicht, Mylord. Mir fehlt jegliche Erinnerung an die Zeit, bevor mich irgendetwas hier«, er wies an seine Schläfe, »getroffen hat.«
    »Tja, so etwas soll es geben. Obwohl, wie man mir versicherte, die Zeit auch da heilend wirken kann.«
    »Mylord, ich möchte mich eigentlich auch gar nicht so gerne erinnern. Es war... so grauenhaft.«
    »Das war es, mein Junge.« Mitgefühl zeigte sich in den grauen Augen des Offiziers. »Wie alt warst du damals?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich denke, ich bin jetzt wohl so sechzehn oder siebzehn.«
    »Mag stimmen. Damals also ein zehnjähriger Junge. Der Deutsch versteht.« Dettering wechselte in seine Muttersprache. »Hast du das Englische danach gelernt?«
    »Nein, Mylord, ich habe es irgendwie schon gekonnt.«
    »Wie heißt du?«
    »Alexander Masters. Glaube ich wenigstens.«
    »Hast du eine Ahnung, wer deine Eltern sind, Alexander?«
    »Nein. Obwohl ich manchmal von ihnen träume. Aber sie haben weder Namen noch Gesichter, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Es erstaunte Alexander selbst, dass er endlich bereit war, darüber zu reden. In den vergangenen Jahren hatte er sich eine glaubhafte Lügengeschichte über seine Herkunft zurechtgebastelt, die er bei hartnäckigem Nachfragen vortrug. Finley und Thornton Harvest hatten sie geglaubt und nie weiter nachgeforscht. Aber Colonel Dettering besaß eine Art auf ihn einzugehen, die ihn berührte. Und darum schilderte er ihm auch in knappen Sätzen, was er bisher erlebt hatte.
    Nikolaus Dettering lauschte schweigend. Er hatte begonnen, sich seine eigenen Gedanken über den jungen Mann zu machen, und was er hörte und vor allem, was nicht gesagt wurde, erschütterte ihn. Um seinen Verdacht zu erhärten, stellte er schließlich noch ein paar Fragen.
    »Du bist als Stalljunge aufgenommen worden. Das heißt, der Umgang mit Pferden war dir wohl nicht fremd.«
    »Nein, Mylord. Er war mir vertraut.«
    »Du kannst auch reiten?«
    »Ich hatte nie Probleme damit.«
    »Du beherrschtest schon mit zehn Jahren zwei Sprachen fließend, habe ich den Eindruck. Es mag in deinem Elternhaus beides ganz selbstverständlich gesprochen worden sein.«
    »Ja... meine Mutter... Ja, ich glaube, meine Mutter sprach Englisch mit mir.«
    »Wie würdest du folgendes Zitat fortsetzen: ›Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur‹?«
    Es kam, wie aus der Pistole geschossen: »›Hic omnes lingua, institutis, legibus inter se differunt.‹«
    »Dann hat dich dein Lehrer also auch mit dem Gallischen Krieg getriezt. Das lässt auf gute Bildung schließen. Sag mir, Alexander, welche Uniformen trugen die Preußen?«
    »Blaue Jacken, graue Hosen. O Gott...«
    Alexander musste sich den Kopf halten, der plötzlich unmenschlich zu schmerzen begann.
    »Was ist, mein

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