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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Mord und Plünderungen beteiligt und bereichert zu haben. Mein Vater – was sollte ich davon halten?
    »Ich schockiere Sie, Amara?«
    »Ich weiß es noch nicht. Berichten Sie weiter.«
    »Ich traf auf dem Briesnitz’schen Gut Ihre Mutter, Amara. Birte, die in der Küche kleine Wunder wirkte. Meine Schwester pflegte das Personal irgendwo zwischen Möbelstücken und Nutzvieh einzuordnen, ich hingegen habe Bedienstete schon immer als Menschen betrachtet. Weshalb ich Birte auch wegen ihres hervorragenden Gebäcks lobte. Es freute sie, und wir kamen weiter ins Gespräch. Amara, sie war eine bildschöne, junge Frau, anständig, sauber und von einem unerwarteten Mitgefühl mir gegenüber, das mir andere verweigerten. Ich war dreiundzwanzig und hatte Blut, Grauen und Tod gesehen. Ich hatte meine Albträume und kämpfte gegen die Erinnerung mit einem Schutzpanzer aus Zynismus und Kaltherzigkeit an. Aber ihr gelang es, ihn zu zerstören. Ich verliebte mich in sie.«
    »Aber wohl nicht genug, um die daraus erwachsenden Verantwortungen zu übernehmen«, stellte ich bitter fest.
    »Nein, Amara. Nicht genug. Ich weiß es selbst. Ein Bekannter des Barons besuchte uns eines Tages und sprach von der Expedition nach Nordafrika, die er in Kürze antreten wollte. Ich bat darum, ihn begleiten zu dürfen. Meine Sprachkenntnisse und meine Kampferfahrung waren ihm Referenz genug.«
    »Sie verließen meine Mutter.«
    »Ich verließ sie, aber ich wollte zurückkehren. Doch die Expedition hielt mich weit länger von Deutschland fern, als ich es geplant hatte. Erst 1820 landete ich wieder nach langen Umwegen in Bremen, musste Geschäfte regeln, Kontakte schließen, mein Vermögen ordnen. Ich hatte in Afrika eine Diamantmine entdeckt, Amara, die meinen Reichtum heute begründet. Als ich schließlich zwei Jahre später wieder auf Rosian eintraf, war Birte fort, in Stellung bei dem Grafen von Massow. Der jedoch hatte sich auf eine diplomatische Mission nach England begeben, und ich konnte die Spur Ihrer Mutter nicht mehr aufnehmen.«
    »Sie hatte Fritz Wolking geheiratet und führte mit ihm eine Konditorei in Berlin.«
    »War er Ihnen ein guter Stiefvater?«
    Ich dachte nach. Sechs Jahre lang waren wir eine Familie gewesen. Und wenn Fritz auch in seinen Ansichten starrsinnig und in seinem Verhalten devot war – ja, er war mir ein guter Vater gewesen.
    »Wir hatten unsere Differenzen, und ich war sicher nicht ganz schuldlos daran. Aber seinen Tod habe ich leichter verwunden als den meiner Mutter.«
    »Würden Sie mir erzählen, was geschehen ist? Bitte, Amara.«
    »Soweit ich weiß, entdeckte Lady Henrietta, die Gräfin von Massow, die zu Besuch bei den Briesnitzens weilte, meine Mutter eines Tages an einem kleinen Teich auf dem Grund des Gutes, wo sie ihr ein Bild der Verzweiflung bot. Lady Henrietta ist eine außerordentliche Frau, Herr de Haye. Sie hat meine Mutter angesprochen und auf ihre mitfühlende Art ihr Dilemma erfahren. Da sie sich in den Tagen zuvor von ihrem Können hatte überzeugen können, bot sie ihr an, in Stellung auf Evasruh zu gehen. Offensichtlich hatten Briesnitzens keine Einwände, und so kam ich dort zur Welt und wuchs die ersten Jahre in sehr glücklicher Umgebung auf.« Dann berichtete ich ihm von Fritz, unseren Plänen und schließlich seinem Unfall, der unser Leben veränderte. Er hörte mit stummer, betroffener Miene zu. Als ich von der Zuckerfabrik berichtete, stand er auf und drehte mir den Rücken zu, und als ich endete, blieb er lange in dieser Haltung stehen und schwieg.
    Ich trank meinen Wein. Mein Herz tat weh.
    Plötzlich drehte de Haye sich um und setzte sich neben mich.
    »Ich kann es ihr nicht mehr sagen, wie unendlich ich es bedauere, dass ihr alles das widerfahren ist. Amara, ich kann nur Birtes Tochter bitten, mich nicht abgrundtief zu verdammen. Hätte ich es nur gewusst...«
    Meine Stimme wollte mir nicht gehorchen, sie war heiser und tonlos, als ich erwiderte: »Ich habe von Mama nie einen Vorwurf gehört. Vielleicht hat sie ihre Naivität und ihren Leichtsinn bereut, mich hat sie es nie spüren lassen. Ob Sie ihr Herz gebrochen haben – ich weiß es nicht. Und ich habe Sie nicht gekannt, darum habe ich Sie auch nie vermisst. Mein leiblicher Vater war mir gleichgültig – das schließt wohl Liebe wie Hass aus.«
    »Das ist großzügig genug, Amara.« Er küsste meine Hand und erhob sich. »Ich habe die ganze Nacht nachgedacht und mir meine Schandtaten durch den Kopf gehen lassen. Glaub mir, es

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