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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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weiterhin mit ihr, Melli, den Laden führen und das gewohnte Leben beibehalten. Als einziges Zugeständnis an die veränderte Lage traf sie sich an zwei Nachmittagen in der Woche mit ihrem Vater, um gemeinsam mit ihm zu essen und zu reden.
    Die Türklingel ertönte, gerade als Melisande in ihre Schuhe geschlüpft war, und sie lief nach unten, um Maximilian zu öffnen, der sich angeboten hatte, sie zu de Hayes Villa zu begleiten.
    Maximilian von Briesnitz war, als er von der Vaterschaft seines Onkels gehört hatte, in schallendes Gelächter ausgebrochen. Dann hatte er Lothar herzlich zur späten Geburt seiner Tochter gratuliert, Amara beim nächsten Treffen umarmt und sie als Cousine begrüßt. Er freute sich aufrichtig für die beiden und verstand beim besten Willen nicht, was seine Schwester Dotty daran derartig erboste. Überhaupt verstand er sie immer weniger. Als sie in Bonn eintraf, war sie frisch verwitwet, und er empfand, obwohl sie sich über die Jahre hinweg entfremdet hatten, Mitleid mit ihr. Sie hatte einige unglückliche Erfahrungen machen müssen, bis sie einen geeigneten Gatten gefunden hatte, und nun war der ebenfalls gestorben. Selbst wenn die Ehe nicht die beste gewesen war, musste das für eine Frau ein schrecklicher Schicksalsschlag sein. So erschien es ihm auch in den ersten Tagen ihres Aufenthalts, aber dann merkte er zu seiner Verwunderung, dass nicht Trauer, sondern Lebenshunger Dottys Handlungen antrieb. Es gab einige hässliche Tuscheleien, die er zunächst geflissentlich überhörte. Aber dann entließ Amara den Koch, der zuvor in Dorotheas Diensten gestanden hatte, von einem Tag auf den anderen, weil er sich Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung hatte zuschulden kommen lassen. Dieser schäbige Knochen säte, bevor er die Stadt verließ, einige besonders üble Gerüchte über seine Schwester aus, vor denen Maximilian schlichtweg nicht die Ohren verschließen konnte. Er würde heute ein Auge auf Dotty haben, das nahm er sich vor, während er darauf wartete, dass Melisande ihre Schute aufsetzte und die breite Schleife hinter ihrem Ohr fertigknüpfte.
    Sie war eine süße Person, so lebhaft und voller Lachen. Aber leider war ihm sein Freund Jan zuvorgekommen. Er konnte es verschmerzen, hatte doch Paula Masters sein Herz angesprochen. Diese kultivierte, ätherische Dame musste alle ritterlichen Gefühle wecken und einen leichten Groll auf ihren Gatten hervorrufen, diesen kaltherzigen Techniker, dem die zarte Konstitution seiner Frau nurmehr lästig war. Auch unter Julias Benehmen litt die empfindsame Paula. Obwohl die Tochter ihre Mutter stets mit der gebührenden Höflichkeit behandelte, spürte man dahinter eine unterschwellige Verachtung. Paula brauchte Hilfe, Fürsorge und Unterstützung. Manchmal auch Medikamente, die ihre Nerven stärkten. Dass sie sich nicht traute, ihren Mann darum zu bitten, verstand Max nur zu gut – es war das Eingeständnis ihrer Schwäche, für die Alexander sie hasste. Also brachte Maximilian ihr Baldrian, Laudanum und Hanftropfen mit, die in den botanischen und pharmazeutischen Labors leicht aufzutreiben waren. Auch heute hatte er ein Fläschchen Hanfextrakt dabei, weil er hoffte, sie würde sich ebenfalls bei seinem Onkel einfinden. Er hatte sie extra in einem höflichen Billet darum gebeten.
     
    Das nachmittägliche Gartenfest durfte man getrost als wunderbaren Erfolg betrachten. Unter den hohen, schattigen Kastanien lagerten im weichen Gras die Damen in ihren pastellfarbenen Kleidern wie kostbare Riesenblüten, Herren standen plaudernd an der Bowleschüssel beisammen, Kuchen und delikate Sandwiches wurden herumgereicht, und Melisande sang zur Begleitung einer Gitarre heitere Lieder.
    Jan Martin lächelte, als er sie beobachtete. Sie hielt sich sehr zurück, nicht ein einziges Kommerslied kam über ihre Lippen. Soeben besang sie die traurige Weise der schönen Loreley. Amara schritt am Arm ihres Vaters zwischen den Gästen umher, ein Bild in türkisfarbener Seide, um den Hals ein Collier aus den nämlichen Steinen und blitzenden Brillanten. Ohne Zweifel ein Geschenk von de Haye. Ihr Teint war von der Sonne zwar undamenhaft tief gebräunt, aber Jan konnte keinen Anstoß daran nehmen. Er verglich sie mit den karibischen Schönen, an die er sich, seit er sich nun häufig mit Lothar unterhielt, mit wachsender Sehnsucht und einem seltsamen Fernweh erinnerte.
    Lothar de Haye hatte Trinidad noch im vergangenen Jahr besucht und brachte Nachricht von der

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