Göttertrank
kratzte an seinem Stolz.
Aber zumindest hatte er einen ersten Schritt in Richtung Fabrikbau getan. Am nächsten Tag würde die Keramikfabrik von Anton Mehlem eingeweiht werden. Auf die Leistung, die er dafür erbracht hatte, war Alexander stolz. Er hatte all sein Wissen in die Planung einfließen lassen, die neueste Dampfmaschinentechnik installiert, darauf geachtet, die Wege zwischen den Verarbeitungsschritten kurz zu halten und einfach zu bewältigen. Die Transmissionsriemen würden so angebracht, dass sie die Arbeiter nicht gefährdeten, ein neuartiges Walzwerk hatte er konstruiert, das die zähe Tonmasse besonders intensiv aufbereitete und viele andere Feinheiten mehr berücksichtigte.
Er stand auf, um sich noch einmal die Zeichnungen anzusehen. Ja, doch, ein befriedigendes Werk. Und sehr nützlich im Hinblick auf die Planung seines nächsten großen Vorhabens.
Zumindest theoretisch konnte er eine Fabrik zur Herstellung von Essschokolade schon einmal konstruieren. Vollkommen überzeugt aber war er noch nicht von der Verwirklichung dieser Idee.
Nach jenem entsetzlichen Zwischenfall auf dem Gartenfest hatte er erst einmal abgewartet, wie es Amara ging. Noch immer packten ihn kalte Schauder, wenn er daran dachte, wie nahe sie dem Tode gestanden hatte. Danach war es wichtiger gewesen, sie von der alten Last zu befreien, und erst im Januar hatte er de Haye wieder darauf angesprochen, ob er noch immer Interesse an dem Vorhaben hatte.
Er hatte, aber er war auch ein gewiefter Geschäftsmann, und gemeinsam wogen sie die Möglichkeiten, die Risiken, die Probleme und die zu erwartenden Profite gegeneinander ab. De Haye mochte ein schwerreicher Mann sein, sein Geld aber setzte er nicht leichtsinnig aufs Spiel. Und es war kein geringer Einsatz, den er wagen würde. Ein passendes Grundstück war erforderlich, Anbindung an die Verkehrswege, ein Fabrikgebäude, Maschinen, Lagerräume, Büros. Dann benötigte man Lieferanten für die Rohstoffe und die Kohle, Zugang zu frischem Wasser und Möglichkeiten zur Entsorgung des Brauchwassers. Schließlich mussten qualifizierte Arbeiter eingestellt werden, die sich auf die Maschinen und die Rezepturen verstanden. Vor allem aber brauchte man ein akzeptables Produkt und deren Abnehmer. Alexander hatte seine Gespräche mit Fry in Bristol noch gut in Erinnerung, der sich aus diesem Grund sogar an der Entwicklung eines Paketdienstes beteiligt hatte.
Ein komplexes, vielschichtiges Vorhaben war diese Fabrik, und manchmal fragte sich Alexander, ob er sich wirklich daran trauen sollte. Es war eine Herausforderung, und es wäre die Krönung seiner Ingenieurslaufbahn.
Und es würde ihn näher und näher an Amara binden.
Das allerdings war gefährlich.
Er seufzte.
Schon deswegen würde er die Arbeit, zumindest theoretisch, in Angriff nehmen.
Die Werkshalle der Mehlem’schen Keramikfabrik in der Fährstraße in Bonn war festlich geschmückt. Girlanden hingen an den weiß gekalkten Ziegelwänden, bunte Rosetten und Bänder schmückten Türen und Fenster, der schwarze Lack der neuen Maschinen glänzte im Licht, das durch die großen Fenster fiel, die Transmissionsscheiben schimmerten stählern, die Übertragungsriemen aus dickem Leder hingen noch unbewegt zwischen der gewaltigen Welle, die sich längs durch das gesamte Gebäude zog, und den Geräten, die sie antreiben sollten. Am hinteren Ende der Halle duckte sich die Dampfmaschine mit ihrem gewaltigen, rot lackierten Schwungrad, das, wenn der Dampf im Kessel heiß genug geworden war, durch die Pleuelstange in Bewegung gesetzt werden würde.
An dieser Seite waren auch die Tische für das festliche Bankett aufgestellt worden, zu dem Anton Mehlem einige einflussreiche Kunden, Geschäftsfreunde, Vertreter der Presse und natürlich auch den Ingenieur eingeladen hatte. Die begleitenden Damen hatten sich dem Anlass entsprechend elegant herausgeputzt, und die Herren erschienen in Fräcken und seidenen Westen.
Paula hatte sich diesmal überraschenderweise bereit erklärt, ihren Gatten zu begleiten. Alexander führte sie am Ellenbogen durch die Menge und stellte ihr seine Bekannten, vor allem aber auch den Fabrikanten selbst vor. Sie hatten einige Minuten mit belanglosem Geplauder verbracht, als er zu seinem größten Erstaunen seinen Schwiegervater, Paul Reinecke, unter den Gästen entdeckte.
»Paula, Sie hätten mir ruhig sagen können, dass wir heute auch Ihren Vater hier antreffen«, flüsterte er seiner Gattin ins Ohr. Aber die zuckte
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