Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
lahme Hündchen jetzt einen Platz.
    Sie nahm als Erste die Erde in die Hand und ließ sie auf den Sarg fallen.
    Dorotheas Bruder, ihr Onkel, ihre Cousine und zwei Bekannte folgten stumm und wandten sich dann ab.
    Dottys Eltern waren nicht zur Beerdigung ihrer Tochter gekommen, obwohl Lothar sie sogar per Telegraf benachrichtigt hatte.
    Es war ihnen zu beschwerlich.

Ein trauriger Fall
    Jedes Süße hat sein Bitteres, jedes Bittere sein Süßes, jedes Böse sein Gutes.
    Ralph Waldo Emerson
     
     
    Alexander tauchte die Stahlfeder in das Tintenfass und setzte seinen Gruß unter den Brief an Cornelius Waldegg. Hin und wieder traf er sich mit dem Verleger, doch weil sie beide in ihrer Arbeit aufgingen, blieb es häufig bei schriftlichen Mitteilungen. Waldegg hatte derzeit, genau wie er, mit Problemen zu kämpfen. Die Zeit der gelockerten staatlichen Kontrollen, die nach der Thronbesteigung des neuen Königs 1840 angebrochen war, war vorüber. Vier Jahre später wurde wieder streng zensiert, unliebsame Meinungen wurden unterdrückt. In Köln sorgte der Zivilkommissar Kantholz dafür, dass Sitte und Ordnung eingehalten wurden, und Cornelius’ verlegerische Arbeit war ihm dabei ein besonderer Dorn im Auge. Eine Weile sah es auch so aus, als habe Kantholz vor, Amara ernsthafte Schwierigkeiten zu bereiten, denn er hatte sie anhand der alten Signalements als die gesuchte Mörderin von Gilbert Valmont entlarvt.
    Amara wusste davon nichts. Lothar de Haye, Maximilian, Jan Martin und Alexander hatten dem Spiel ein Ende gesetzt, indem sie an entsprechender Stelle offiziell die Schuld Dorotheas an dem Unfall erklärt und somit Amara entlastet hatten. Ob es ein Unfall oder ein gezielter Mord war, ließ sich natürlich nicht mehr feststellen. Hatte sie damals schon wirklich gewusst, wie gefährlich die Brechnuss war, oder hatte sie nur ein Unwohlsein verursachen wollen? Max stand auf dem Standpunkt, sie müsse es gewusst haben, denn er hatte ihr einst von seinen Rattengiftexperimenten mit den Krähenaugen berichtet. Jan hingegen glaubte nicht daran. Er hatte miterlebt, wie sie Gilbert umgarnt und versucht hatte, ihn an sich zu fesseln. Er vermutete, dass sie ihm lediglich eine Lektion in Gegenwart Amaras erteilen wollte und unglücklicherweise das falsche Mittel verwendet hatte. Also einigten sie sich bei ihrer Aussage auf die Unfallversion. Da die Behörden in Berlin auch nicht mehr sonderlich daran interessiert waren, den alten Fall noch einmal aufzurollen, wurde die Akte geschlossen.
    Dorothea war tot, für die anderen, echten Mordfälle konnte man sie nicht mehr belangen. Der Kammerdiener, den de Haye in erstaunlich kurzer Zeit aufgetrieben hatte, bestätigte die Morde, nachdem er von Dorotheas Ableben erfahren hatte. Er hatte monatelang in panischer Angst gelebt, ebenfalls ihr Opfer zu werden.
     
    Alexander faltete den Briefbogen zusammen und steckte ihn in den Umschlag. Mehrere andere Schreiben warteten noch darauf, von ihm unterschrieben zu werden. Paula hatte sie, ordentlich wie sie war, in einer Mappe angeordnet. Doch es war keine erfreuliche Arbeit, die Korrespondenz abzuzeichnen. Wieder hatten sie wichtige Aufträge an Konkurrenten verloren. Besonders ärgerlich war es, dass einige seiner technischen Verbesserungen von anderen Maschinenbauern übernommen worden waren. Es gab bedauerlicherweise, anders als in England, hierzulande keine Möglichkeit, Erfindungen gesetzlich schützen zu lassen, und so wurden fröhlich Ideen geklaut und als eigene Entwicklung verkauft. Alexander warf sich selbst vor, in der Vergangenheit zu freizügig mit Kollegen über seine Arbeiten gesprochen und korrespondiert zu haben. Es war ihm in Ingenieurskreisen eigentlich immer so vorgekommen, als ob eine unausgesprochene Vereinbarung darüber bestand, dass man sich gegenseitig nicht das Verfahren abspenstig machte oder, wenn man es selbst einzusetzen wünschte, das in Absprache mit dem Erfinder tat. Aber in jeder Gruppe gab es wohl Menschen, die es mit der Standesethik nicht so genau nahmen. Empörend in seinem Fall war es vor allem, dass ein Anbieter aus Wuppertal seine Ventiltechnik schamlos unter eigenem Namen nutzte und ihn beständig bei seinen Kunden unterbot. Nettekoven hatte dadurch im vergangenen Jahr Verluste erwirtschaftet. Noch war die Firma nicht in einem bedrohlichen Zustand, aber für Neuentwicklungen gab es keinen Spielraum. Alexander musste auf das Kapital zurückgreifen, das ihm sein Vater zur Verfügung gestellt hatte, und das

Weitere Kostenlose Bücher