Göttertrank
bei der Installation einer vernünftigen Wasserversorgung helfen.«
»Vermutlich wird die nur dazu führen, dass anschließend die Zimmer überschwemmt werden.«
»Sie sind ziemlich unten, was? Na, das wird schon wieder. Ich überlasse Sie jetzt dem Abendritus. Hüllen Sie sich in diesen Hausmantel und begeben Sie sich anschließend in Morpheus’ Arme.«
Die unverwüstliche Heiterkeit seines Gastgebers wirkte aufmunternd auf Alexander, das heiße Bad besänftigend auf sein aufgewühltes Gemüt. Und das Kleidungsstück, das der Diener ihm reichte, entlockte ihm sogar ein Schmunzeln. De Haye hatte einen heimlichen Hang zum prunkvollen Potentatentum. Der mit schwarzem Samt gefütterte rote Brokat, bestickt mit goldenen orientalischen Ornamenten, war eines Thronsessels würdig. Er legte es jedoch nicht an, sondern zog das bereitliegende Nachtgewand über, um Vergessen im Schlaf zu finden.
Am Morgen – viel Vergessen hatte die Nacht ihm nicht gebracht – hingegen legte er das Prunkgewand nach der Morgentoilette an, schlang die breite Schärpe um seine Hüften und schlüpfte in die ebenfalls reich bestickten Samtpantoffeln. In dem kleinen Erker, der den Blick in den Garten erlaubte, hatte man ein Tischchen für zwei Personen gedeckt, aber statt de Haye trat Amara mit einem vollbeladenen Tablett ein.
»Guten Morgen, Alexander. Ich habe dir ein Frühstück zubereiten lassen. Darf ich daran teilnehmen?«
Sie sah hübsch und frisch aus in ihrer einfachen weißen Bluse, dem blauen Baumwollrock und dem langen, glatten Zopf, der wie ein Seidenstrang über ihre Schulter fiel und in einer blauen Schleife endete. Sein Elend vertiefte sich wieder, und nur mit Mühe brachte er eine freundliche Einladung heraus. Sie lächelte ihr sanftes Madonnenlächeln und stellte die Kaffeekanne, den Korb mit frischen Brötchen, Butter, Marmelade und Honig auf den Tisch.
»Ich frage nicht, wie du die Nacht verbracht hast, Alexander. Aber ich fürchte, ich muss dir gestehen, ich hatte ein ganz betrüblich undamenhaftes Vergnügen an dem Anblick, als deine Faust diesen verleumderischen Stinkstiefel zu Boden streckte.« Sie kicherte. »Und unter die Röcke der wohledlen Kommerzialrätin beförderte.«
»Aha.« Er nahm ein Brötchen und schnitt es auf.
»Sieh es mal von der komischen Seite, Alexander. Immerhin harmloser als das Strychnin, was mich vor Kurzem in eine scheußlich demütigende Lage gebracht hat.«
»Mir wär lieber, es wäre Strychnin gewesen. Das, was mir passiert ist, ist weit tödlicher.«
»Rufmord. Richtig. Du hast dir einen Feind gemacht, Alex. Aber er hatte Handlanger.«
»Das ist wohl offensichtlich.«
Alexander nahm einen Bissen von seinem Honigbrötchen und dachte nach.
»Ich werde mir die Mechaniker vorknöpfen. Aber meinen Leuten traue ich das eigentlich nicht zu. Reinecke wird jemand mitgebracht haben.«
Amara leckte sich einen Tupfer Pfirsichmarmelade vom Finger und goss ihm eine zweite Tasse Kaffee ein.
»Warum hat er ein so großes Interesse daran, dich zu ruinieren?«
»Ich habe keine Ahnung. So recht einleuchten will mir das nicht. Immerhin hat er ja darauf bestanden, dass Paula wieder zu mir zieht und heile Ehegemeinschaft spielt.«
»Wir werden gemeinsam darüber nachdenken und überlegen, ob uns gestern während des Banketts irgendetwas aufgefallen ist. Magst du noch ein Brötchen?«
Er lehnte ab und trank schweigend seinen Kaffee aus. Dann fragte er: »Was ist eigentlich mit Paula? Hat sich jemand um sie gekümmert?«
»Wenn ihr Vater anwesend war, wird sie sich bestimmt an ihn gewandt haben.«
»Ja, natürlich.«
Er stand vom Tisch auf und trat zum Fenster. Der Garten wirkte winterlich, die Buchenhecke bildete eine braune Mauer aus vertrockneten Blättern, über den Rosen lagen noch die Tannenreiser, und die dürren Ranken eines Weinstocks wickelten sich um ein Holzspalier. Es war ein trauriger Anblick und entsprach seiner Gemütslage. Es war nicht das erste Mal, dass er einen Rückschlag erlitten hatte, genau genommen war sein Leben durch solche Ereignisse geprägt. Doch in den Fällen davor war daraus nur der trotzige Wunsch erwachsen, sich aus der misslichen Lage zu befreien, weiterzumachen, womöglich sogar noch einen Gewinn daraus zu ziehen. Diesmal aber hatte es ihn härter getroffen als je zuvor. Man hatte sein gesamtes Lebenswerk mit Füßen getreten, seine Person und seine Arbeit der Lächerlichkeit preisgegeben.
»Alexander?«
Amara legte ihm ihren Arm um die Hüften und zog ihn
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