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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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denen meiner Mutter sehr. Doch vor dem Spiegel stand ich nicht ausschließlich der Eitelkeit wegen, sondern um mich darin zu üben, mein Mienenspiel zu meistern. In der Schule hatte man mich gelehrt, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten und sie auf gar keinen Fall im Gesicht zur Schau zu tragen. Bedienstete hatten beherrscht zu bleiben, gleichgültig, welche Umstände sie auch antrafen. Ich hatte mir diese Kunst mit Geschick angeeignet, da ich die Nützlichkeit eines Gelassenheit ausstrahlenden Gesichtes schon bei Lady Henrietta bewundert hatte. Die Wirkung hingegen belustigte mich heimlich. Denn zusammen mit meinen ebenmäßigen Zügen verführte es meine Mitmenschen manchmal, etwas von Madonnenantlitz zu murmeln, worin sie sich sattsam täuschten. Ich war nämlich weder besonders duldsam noch unterwürfig, und gerade in der Zeit des Heranwachsens spielte mir hin und wieder mein hitziges Temperament einige Streiche. Vor allem Fritz gegenüber kam es bei allerlei familiären, weltanschaulichen oder gesellschaftlichen Disputen lautstark zum Ausbruch. Fremden gegenüber aber hatte ich gelernt, meinen Ärger, meine Frustration oder Unzufriedenheit hinter einer mild lächelnden Maske zu verbergen.
    »Du darfst ihm nicht ständig widersprechen, Amara«, mahnte meine Mutter mich, nachdem Fritz die Backstube wieder verlassen hatte.
    »Aber er ist immer so schnell mit einem Urteil bei der Hand, auch wenn er gar nicht weiß, was wirklich dahintersteckt. Und immer heißt es, Ruhe bewahren, nicken und katzbuckeln. ›Ja, Euer Ehren! Natürlich, gnädige Frau! Ganz zu Ihren Diensten, Hochwohlgeboren.‹ Er mahnt sie ja nicht mal, wenn sie mit ihren Zahlungen in Verzug sind.«
    Das war einer der schmerzhaften Punkte, die uns beide berührten. Zwar lief die Konditorei, wie die Gräfin von Massow es vorhergesagt hatte, durch unsere Mitarbeit besser denn je zuvor, aber das Geld floss nicht in dem Maße, wie die Aufträge hereinkamen. Die noble Kundschaft aus der gehobenen Bürgerschaft und des Adels nahm es mit den Zahlungen nicht ganz so genau und schien sich keinerlei Gedanken darüber zu machen, dass wir mit unseren Produkten in Vorleistung gehen mussten.
    »Er wird schon noch zu seinem Geld kommen«, meinte meine Mutter nicht ganz überzeugt. »Die Esebecks haben gestern einen Teil bezahlt.«
    »Einen Teil, Mama! Sie haben seit acht Monaten jede Woche ihr Gebäck bestellt und jetzt noch nicht mal ein Viertel der offenen Rechnungen beglichen. Ein Almosen, hingeworfen wie einem Bettler. Nur weil ich bei jeder Lieferung nachfrage.«
    Ich hatte in der Gesindeschule das Haushaltsrechnen gelernt und führte inzwischen die Bücher. Über den Stand unserer geschäftlichen Finanzen wahrte ich einen genauen Überblick.
    »Du hast nachgefragt? Lass das nur Fritz nicht wissen. Die Esebecks sind gute Kunden.«
    »Sie sind gute Abnehmer. Und wir müssen Butter, Eier und den teuren Kakao sofort bezahlen.«
    »Bisher hat es noch immer gereicht.«
    »Mama! Gereicht, ja. Aber was ist mit unserem Plan?«
    Wir beide hatten den Wunsch noch nicht begraben, die Konditorei zu einem kleinen Café auszubauen. Bisher hatte sich Fritz immer taub gestellt, wenn wir diese Idee anklingen ließen, aber nach und nach machte meine Mutter ihm die Vorstellung schmackhaft. Die Lage der Konditorei war gut, ihr Ruf ausgezeichnet, und es bestand die Möglichkeit, im Vorhaus zwei Räume zu mieten. Vor allem, betonte sie immer wieder, hätte ich ein ausgeprägtes Talent, mit Kunden umzugehen.
    Doch schon am Nachmittag entglitt mir bedauerlicherweise dieses Talent, und meine Reaktion überraschte den Geheimrat Eckert. Ich hatte zwei Torten und mehrere Schachteln Konfekt ausgeliefert und dekorierte sie gerade auf den damastgedeckten Tischen im Salon, als der Herr des Hauses an mich herantrat. Zu nahe, wie ich unangenehm berührt feststellte.
    »Nun, mein hübsches Kind...«, begann er seine Rede und legte mir dabei einen seiner Finger unter das Kinn. »Ein süßes Frätzchen haben wir da aber. Möchtest du dir vielleicht ein kleines Trinkgeld verdienen?«
    Noch gelang es mir, lächelnd einen Schritt zurückzutreten. »Entschuldigen Sie, gnädiger Herr, ich möchte die Schalen fertig auffüllen.«
    »Und ich würde gerne von diesen Süßigkeiten probieren«, murmelte der beleibte Geheimrat und machte mit einer Bewegung zu meinem Mieder deutlich, was er meinte.
    »Darf ich Sie bitten, mich meine Arbeit ungestört weitermachen zu lassen«, bat ich ihn, nun ohne Lächeln,

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