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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und schob seine gierige Hand fort. Doch der Herr verstand ein Nein nicht, wenn er es laut ausgesprochen hörte. Er erhöhte das Angebot um ein Goldkettchen.
    »Bitte, gnädiger Herr, das habe ich nicht gehört«, versetzte ich mit angestrengter Höflichkeit, was den Hausherrn so weit reizte, dass er mit einer Hand meine Taille umfasste und mit der anderen in meine Bluse grapschte.
    Ich griff ebenfalls in meinen Ausschnitt, packte seinen Daumen und drückte zu.
    Man knetet nicht täglich schweren Teig, ohne eine gewisse Kraft in den Händen zu entwickeln.
    Der Geheimrat brüllte auf und ließ los.
    Die Tür zum Salon öffnete sich, und die Dame des Hauses trat ein. Sie erfasste die Situation augenblicklich, maß ihren Gatten mit einem derart verächtlichen Blick, dass er auf der Stelle den Rückzug antrat, und forderte scharf: »Verlassen Sie umgehend den Raum, Mädchen!«
    Ich tat, wie befohlen, knurrte aber den ganzen Heimweg vor Zorn. In der Backstube fand ich Fritz und den rotbärtigen Reisenden vor, die gemeinsam die neuen Materialbestellungen durchgingen. Mein Stiefvater würde ohnehin in Kürze von diesem Auftritt erfahren, also erklärte ich ohne Zögern: »Ich fürchte, Papa Fritz, wir werden die Lieferung an den Geheimrat Eckert abschreiben müssen. Und als Kunde wird er uns auch verloren sein.«
    »Was ist passiert? Ist unsere Ware beanstandet worden?«
    »Nein. Er hat mich angefasst, und ich habe ihm den Daumen ausgerenkt.«
    MacPherson ließ wieder einmal sein dröhnendes Lachen ertönen und nickte anerkennend, Fritz hingegen reagierte empört.
    »Wie konntest du, Amara! Der Geheimrat ist ein hochgestellter Mann. Er gehört dem Kabinett des Königs an.«
    »Das gibt ihm noch lange nicht das Recht, mir in die Bluse zu fassen.«
    Doch Fritz, der seine untertänige Haltung nicht überwinden konnte, begann zu jammern: »Wenn sie nicht mehr bei uns bestellen, wird sich das herumsprechen, Amara. Es wird unserem Ruf schaden. Die Eckerts sind einflussreiche Leute. Du hättest dich umgänglicher benehmen müssen.«
    Bevor ich eine aufbegehrende Antwort geben konnte, grummelte der Schotte: »Fritz, der Einzige, der hier einen guten Ruf verloren hat, ist der Geheimrat. Deine Tochter hat sich vollkommen richtig verhalten. Es ist gut, wenn ein Mädchen weiß, dass es nicht hilflos ist, wenn man es unschicklich behandelt. Diese ganzen vornehmen Dämchen haben das heute verlernt.«
    Fritz beharrte aber weiter auf seiner Meinung, und erst, als die Rechnung für die gelieferte Ware dennoch beglichen wurde, beruhigte er sich wieder etwas.
     
    Es wuchs Gras über die Angelegenheit, und zwei Monate später, im Sommer des Jahres 1828, hatten meine Mutter und ich es endlich geschafft, meinen Stiefvater für das Café zu begeistern. Er mietete die Räume im Vorhaus, nahm einen Kredit für die Umbauten auf und bestellte zierliche Tische und hübsch gepolsterte Sesselchen. Wir hatten viele andere Kaffeehäuser in Berlin besucht, um uns ein Bild davon zu machen, welche Ausstattung ihre Besucher am ehesten anziehen konnte. Natürlich waren das Café Royal in der Charlottenstraße und Josty Unter den Linden unerreichbare Vorbilder für uns, aber unser Angebot konnte sich bestimmt mit dem der neu eröffneten Konditorei Kranzler messen.
    Doch dann streifte uns der Flügelschlag des Schicksals in Form eines harmlosen Schmetterlings.
     
    Fritz kam an jenem heißen Augustnachmittag mit staubigem Überrock und einer prächtigen Beule am Kopf nach Hause. Er schwankte zwischen Ärger und Belustigung, als er uns erzählte, was ihm passiert war. Er hatte eine Partie Torten ausgeliefert und war auf dem Heimweg, als ein Kremser – diese neuen Pferdeomnibusse – einen Unfall verursachte. Die Straße verstopfte sich sofort durch Einspänner, Sänften, Fuhrkarren und Reiter. Die Stimmung war angespannt, manch unvornehmes Wort wurde gereizt und laut geäußert. Pferde wieherten, und ein kleiner Kläffer verlieh schrill seinem Unmut Ausdruck. Ein schmächtiger Taschendieb suchte in dem Gedränge sein Geschäft aufzubessern, und ein garstiges Balg warf mit einem Pferdeapfel nach einem Rivalen. Fritz musste am Rande des Tumults warten, bis sich das Knäuel um den umgestürzten Wagen auflöste. Neben ihm versuchte eine verschreckte Bonne, ihren Schützling, einen fünf- oder sechsjährigen Jungen, in Schach zu halten, aber der hatte zu viel Spaß daran, mit einer kleinen Reitpeitsche auf sein Steckenpferd einzuschlagen. Noch mehr Freude bereitete

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