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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Weltenbummler, mit dem er auf der Hinreise viele Stunden in anregenden Gesprächen verbrachte, hatte ihn beeindruckt. Doch Venezuela war nicht dessen Ziel gewesen, er hatte nach Mexiko weiterreisen wollen, um sich dort die versunkenen Kulturen der Indianer anzusehen. Am letzten Abend an Bord hatte Jan Martin ihn angetroffen, wie er versonnen zum Horizont schaute, wo die tropische Sonne in einem roten Glutball im Meer versank. Mehr zu sich selbst murmelte er dabei: »Sie haben Pyramiden gebaut, heißt es. Ich habe in den vergangenen Jahren die ägyptischen Pyramiden besucht und frage mich, ob es Ähnlichkeiten gibt.«
    Jan Martin teilte sein Schweigen eine Weile, aber dann musste er seine Frage doch loswerden. »Sie forschen auf eigene Faust, Herr de Haye?«
    Der Angesprochene legte seine Nachdenklichkeit ab und lächelte ihn an. »Ich bin gern mein eigener Herr. Und das Interesse an den frühamerikanischen Zivilisationen ist in unserer Heimat nicht besonders groß. Unterstützung finden eher Expeditionen, die nach Ägypten oder Indien führen.«
    »Da haben Sie sicher recht, aber, verzeihen Sie, so eine Expedition auszurüsten, ist eine sehr kostspielige Sache.«
    »Mein guter Freund, ich bin ja auch ein sehr reicher Mann. Ich denke, ich kann es mir leisten.«
    Das hatte Jan Martin überrascht, denn nichts an Lothar de Haye ließ auf großen Reichtum schließen. Obwohl er verbindliche Umgangsformen an den Tag legte, benahm er sich völlig unprätentiös, kleidete sich praktisch und konnte auf den Märkten feilschen wie ein Pferdehändler. Doch einem Beruf ging er nicht nach, so viel hatte Jan Martin verstanden und hätte gerne mehr darüber gewusst. Aber weitere Fragen zur Herkunft seines Vermögens verbot selbstverständlich die Höflichkeit.
    »Dann wünsche ich Ihnen gutes Gelingen bei Ihren Forschungen. Wie viel Zeit haben Sie eingeplant?«
    »Ach, das wird sich zeigen. Mich binden keine Termine. Aber auf Sie werden gewiss etliche warten, wenn Sie an Land gehen?«
    Jan Martin lachte. »Mein Vater hat mir eine ganze Liste von Leuten mitgegeben, die ich aufsuchen muss. Ich hoffe, ich habe sie in zwölf Monaten abgearbeitet.«
    »Und dann?«
    »Dann werde ich mir ein Forschungsgebiet suchen und sehen, ob ich mich damit an einer Universität habilitieren kann.«
    »Mit fünfundzwanzig. Mutig, junger Freund.«
    »Nun ja, ich bin eben ein sehr intelligenter Mann«, bemerkte Jan Martin mit einem Augenzwinkern, und de Haye lachte laut.
    »Damit haben Sie’s mir aber gegeben. Ich mag Sie, Doktor. Ich mag Sie wirklich.«
    Wieder verlegen, hatte Jan Martin geschluckt und dann geantwortet: »Wissen Sie, manchmal entdeckt man in den allgemein benutzten Floskeln eine tiefere Bedeutung. Ich fühle mich Ihnen tief verbunden, Herr de Haye.«
    De Haye ergriff seine Hände, hielt sie einen Moment lang und besiegelte damit ihre Freundschaft.
    Am nächsten Tag trennten sich ihre Wege.
     
    Sehr leise kam eine Dienerin in das Krankenzimmer gehuscht und flüsterte, das Bad für die Señorita sei gerichtet. Vorsichtig brachten sie die Kranke ins Nebenzimmer. Jan Martin überließ es den Frauen, sie in das heiße Wasser zu heben, blieb aber in Rufweite, sollten neue Krämpfe eintreten. Endlich aber konnte er die schweren Vorhänge aufziehen und einen Blick nach draußen werfen. Die Hacienda war ein weitläufiger Bau mit mehreren Innenhöfen und schattigen Kolonnaden, in denen geflochtene Korbmöbel zu müßiger Geselligkeit einluden. Manchen schwülen Nachmittag hatte er in der Kühle der Patios auch in einer Hängematte verdöst. Jan Martin gefiel die südländische Lebensart und die dem Klima angepasste Architektur der Gebäude ausnehmend gut. Alles war so viel heller und luftiger als die hanseatischen Bürgerhäuser mit ihren schweren, dunklen Möbeln und den kleinen Fenstern. Er verstand sehr gut, warum es seinen Großonkel nicht wieder nach Bremen zog.
    Sein Blick schweifte weiter. Neben dem Haus befand sich der Pferdestall, der selbst wie ein Herrenhaus wirkte, und die gesamte Anlage war von einem gepflegten Palmengarten umgeben. Dahinter erstreckte sich bis an die Hänge der Kordilleren die Kaffeeplantage. Einige Male war er in Begleitung des Hazienderos hinausgeritten und hatte den Arbeitern bei der Ernte der roten Bohnen zugesehen. Kaffee, der Hauptimportartikel des Handelshauses Jantzen, hätte seine Aufmerksamkeit stärker fesseln müssen, aber eigentlich interessierte ihn der Kakaoanbau mehr. Doch nur in Caracas fand er

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