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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Gast und seiner Gesellschaft anzubieten, dann kehrte sie in die Küche zurück und setzte sich mit einem kleinen Seufzen auf einen Schemel, raffte dabei aber vorsichtig das grüne Seidenkleid, damit es nicht von Mehl bestäubt wurde.
    »Das wird uns die Männer von der Universität herbringen«, meinte sie zufrieden.
    »Gut möglich. Geht der Cognac aufs Haus?«
    »Natürlich nicht. Kostenlosen Käse gibt’s nur in der Mausefalle.«
    Ich machte einen Vermerk auf der Tafel, auf der sie die laufenden Bestellungen notierte.
    »Kommst du zurecht, milaja ? Kein Liebeskummer mehr?«
    Als ich das Kosewort hörte, lächelte ich. »Nein, Nadina. Kein gebrochenes Herz mehr. Nur ein bisschen Wut noch.«
    »Ich hätte ihn sollen kastrieren!«, knurrte Madame Galinowa. »Italiener, bah!«
    Giorgio Gambazzi gehörte seit drei Monaten der Vergangenheit an. Der gut aussehende Koch aus Potsdam hatte sich als windiger Geselle erwiesen. Als ich herausgefunden hatte, dass er mich mit einer der leichtlebigen Hofdamen der Prinzessin Marie Luise betrog, gab es eine hässliche Szene, aus der ich, zwar gedemütigt und zornig, aber als Siegerin hervorgegangen war. Giorgio war in den Genuss einer meiner seltenen Temperamentsausbrüche gekommen und ließ sich seitdem nicht mehr in meiner Nähe blicken. Einige Wochen hatte ich mein geknicktes Herz und mich selbst bemitleidet, aber jetzt dachte ich immer seltener an den verlorenen Liebsten.
    »Hast du die Liste für den Reisenden fertig, Nadina? Ich denke, er wird bald wieder vorbeikommen.«
    »Ja, Listen sind fertig.« Und dann grinste sie. »Feiner Mann, was? Wenn man so rote Haare mag.«
    Es war einer von meinen Ratschlägen gewesen, die Kolonialwaren en gros bei MacPherson zu bestellen, so wie es mein Stiefvater bereits gehalten hatte. Mit Verblüffung hatte ich gleich beim ersten Zusammentreffen beobachtet, wie zwischen den beiden rothaarigen Menschen die Funken sprühten. Aber das tat dem Geschäft keinen Abbruch.
    Nadina sorgte mit der ihr eigenen Effizienz für den reibungslosen Ablauf des Betriebs. Mit ihrem ausgezeichneten Geldverstand führte sie die Abrechnungen durch, kümmerte sich um die Vorräte und Bestellungen, hatte ständig einen kritischen Blick auf Sauberkeit und Ordnung in den Gasträumen und schritt alle Stunde einmal in majestätischer Haltung durch die Reihen der Gäste und erkundigte sich nach deren Wünschen. Ganz selten aber ließ sie sich überreden, ein oder zwei Gesangsstücke vorzutragen. Ich wusste inzwischen, dass sie ihre Karriere als Sängerin wegen einer Kehlkopfentzündung hatte aufgeben müssen. Laut genug, um ein Theater mit ihrer Stimme zu füllen, konnte sie nicht mehr singen. Aber sie war ungemein musikalisch, und die melancholischen Balladen bekamen durch ihre rauchige Stimme einen ganz besonderen Reiz.
    Für das Faktotum Sascha gab es auch immer mehr als genug zu tun. Er machte den Abwasch, kümmerte sich um die Beheizung des Backofens, übernahm alle möglichen Reparaturen und Hilfsleistungen. Die schwachsinnige Lena hatte nur eine Aufgabe, aber die erledigte sie gründlich und zuverlässig, wenn auch in erhabener Langsamkeit. Sie war für die Wäsche zuständig, und als wir ihr einige Male gezeigt hatten, wie man die Tischwäsche zu behandeln hatte, konnten wir sicher sein, dass sie nie von den Vorgaben abwich. Besondere Freude schien ihr das Bügeln zu bereiten, und oft, wenn sie das mit glühenden Kohlen gefüllte Plätteisen schwang, hörte man sie eine unmelodiöse Weise summen. Ansonsten sagte sie nicht viel.
    Neu in der Mannschaft war Ella, das Dienstmädchen. Nadina hatte sie gleich in den ersten Tagen mitgebracht. Sie war beim Abliefern einer Kuchenplatte in ein häusliches Drama geplatzt, bei dem sich die Hausherrin und das Zimmermädchen im Salon buchstäblich in die Haare geraten waren. Nadinas Schilderung hatte Melli und mir die Lachtränen in die Augen getrieben. Denn das Gezeter war auf beiden Seiten in breitestem Berlinerisch und mit Ausdrücken geführt worden, die auf eine gesellschaftlich nicht ganz einwandfreie Herkunft der gnädigen Frau schließen ließen.
    »Mach dir bloß ab, du dämliche Schaute!«, keifte die Gnädige, was Ella mit einem abschließenden: »Denn mach doch deinen Dreck alleene, du blödes Aas!« kommentierte und eine Teekanne an die Wand schmetterte.
    Nadina hatte den Kuchen vorsichtig abgestellt, um nicht zwischen die Fronten zu geraten, mit der Haushälterin die Abrechnung erledigt und wollte das Haus

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