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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einmal Gelegenheit, sich darüber mit einem Exporteur unterhalten und einen der Speicher besuchen zu können. Abermals bestätigte sich, dass die Kakaobohnen empfindliches Gut waren. Anders als die Kaffeebohnen, die getrocknet lange Zeit haltbar waren, wurden die Kakaobohnen bereits nach zehn Monaten unbrauchbar. Eine zügige Verschiffung war also erforderlich.
    Gerne hätte er eine Kakaoplantage besucht und bekam auch eine Einladung, doch für die gleiche Zeit wurde er von einem weiteren Bekannten aufgefordert, mit ihm einen Ausflug in die Anden zu unternehmen. Da er unbedingt mehr von der unverfälschten Natur des Landes sehen wollte, zog er diese Einladung vor. Und das Erlebnis hatte ihn zutiefst beeindruckt. Mit einem Führer hatten sie die fruchtbaren Täler erkundet, staunend vor den hohen Wasserfällen gestanden, waren in die verborgenen, abgelegenen Dörfer gelangt. Er hatte erstmals Kontakt zu den Eingeborenen bekommen. Zuvor war er ausschließlich in den Kreisen europäischer Geschäftsleute herumgereicht worden. Auch einige interessante botanische Beobachtungen hatte er machen können – die ersten seiner Reise. Er konnte seither noch etwas besser verstehen, was Lothar de Haye so an den Expeditionen reizte.
     
    »Doktor, Doktor!«
    Aufgeregt rief aus dem Nebenzimmer eine Frau, und Jan Martin ließ den Vorhang fallen. Die Kranke war in der Wanne von einem neuerlichen Krampf erfasst worden, und diesmal verkrümmte sich ihr gesamter Körper mit unbarmherziger Gewalt nach hinten. Er versuchte, sie aus dem Wasser zu heben, obwohl er dabei völlig durchweicht wurde. Weiter spannte sich ihr Körper an, und selbst mit größter Kraftanstrengung gelang es ihm nicht zu verhindern, dass sich ihr Rückgrat beinahe rund bog. Dann begann sie, um sich zu schlagen. Es war grauenvoll. Jan Martin und seine Helferin wurden getreten und geschlagen, sie konnten nicht verhindern, dass Miranda sich Arme und Beine blutig schlug und mit dem Kopf an eine Schrankecke krachte. Noch ging ihr Atem keuchend, doch die Starre griff auf ihr Zwerchfell über. Nach wenigen Minuten lief ihr Gesicht blau an, und hilflos musste der junge Arzt zusehen, wie die Kranke vor seinen Augen erstickte.
     
    Der Tod war ihm nicht fremd. Aber Abstand konnte er noch immer nicht dazu finden. Er fühlte sich schuldig, obwohl er genau wusste, wie sehr ihm bei dem Wundstarrkrampf in fortgeschrittenem Stadium die Hände gebunden waren. Die Krankheit endete fast immer tödlich.
    Er überließ die Familie ihrer Trauer und reiste so unauffällig wie möglich ab, um nicht weiter zu stören. In Caracas bot ihm der Geschäftspartner ganz selbstverständlich seine Gastfreundschaft an, und die vier Tage, die er noch warten musste, bis die Mathilda auslief, verbrachte er mit Grübeln. Über ein Jahr hatte sein Aufenthalt gedauert, und wenn er auch viel gesehen, unzählige Bekanntschaften geschlossen und sich einen Anschein von Weltgewandtheit zugelegt hatte, so war er doch nicht zufrieden mit sich. Insgeheim hatte er gehofft, seine botanischen Forschungen vor Ort fortsetzen zu können, doch dazu hatte ihm die Ruhe gefehlt. Ständig wurde er zu Gesellschaften eingeladen, musste Bälle, Diners, Soireen besuchen, bat man ihn zu Spiel- und Rauchabenden, oder er musste an Ausfahrten teilnehmen. Er kehrte mit leeren Händen nach Hause zurück.
    Dass er sich darin täuschte, wusste er noch nicht, als er an einem sonnigen Septembermorgen das Deck des Viermasters betrat.
    Es würde lange dauern, bis er seine Heimat wiedersah.

Junge Lieben
    Von dir, o Liebe, nehm ich an
Den Kelch der bittern Leiden;
Nur Einen Tropfen dann und wann,
Nur Einen deiner Freuden!
    An die Liebe, Jacobi
     
     
    »Baroness Zuckerschnute wird sich mit dem jungen Grafen von Massow verloben«, verkündete Melisande, als sie mit einem Tablett leerer Teller und Tassen in die Küche trat.
    »Hat sie dir ihr Vertrauen geschenkt, Melli, oder hast du nur wieder in der Gerüchteküche die Ohren gespitzt?«
    Ich schnitt eine Cremetorte in gleichmäßige Stücke und setzte die wackeligen Gebilde geübt auf die schlichten, eleganten Teller aus der Königlichen Porzellan-Manufaktur. KPM lieferte unserem Café zu günstigen Konditionen Geschirr mit winzigen Fehlern.
    »Die Baronin von Briesnitz hat die Neuigkeit in vernehmlichem Bühnenflüstern ihrer Busenfreundin ins Ohr geträufelt.«
    »Dann dürfen wir davon ausgehen, dass es stimmt. Armer Julius.«
    »Tja, wo die Liebe hinfällt.«
    Trällernd belud

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