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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ratte!«
    »Baroness, Ihre Haltung lässt zu wünschen übrig«, versetzte Julius kühl. »Fräulein Amara, wir wollen gehen.«
    »Natürlich, gnädiger Herr.«
     
    Die laue Nachtluft begrüßte uns mit einer kühlenden Brise, und als wir die Tiergartenstraße erreicht hatten, räusperte Julius sich.
    »Schon gut, Herr Julius«, sagte ich leise. »Es tut mir leid. Es wird einen Skandal geben.«
    »Besser jetzt als später. Noch ist der Schaden gering gegenüber dem, den sie mir als Ehemann zufügen würde.«
    »Die Wogen werden sich glätten. Und einige werden wissen oder zumindest vermuten, was sich wirklich abgespielt hat.«
    »Wenn du schweigst – von mir wird es keiner erfahren.«
    »Ich schweige selbstverständlich und der arme Wicht von einem Delikatessenhändler bestimmt auch. Aber...«
    »Aber es gibt bereits Gerüchte?«
    »Es gibt immer Gerüchte.«
    »Es wäre besser, ich würde sie kennen. Jetzt.«
    »Ich will aber nicht petzen.«
    »Ich habe die Konsequenzen gezogen, jetzt muss ich die Wahrheit wissen. Auch wenn sie unangenehm ist.«
    »Dann hören Sie den Küchenklatsch in Originalsprache. Man sagt, die Baroness habe ihre erste Saison erfolglos versust, und die Baronin dränge nun auf eine schnelle, möglichst vorteilhafte Heirat, da der Depp von Vater mit seiner Zuckerfabrik eine Pleite erlebt hat und nicht mehr viel besitzt. Mutter und Tochter haben die Fallen nach Ihnen ausgelegt und mit Lockködern präpariert. Frau Baronin ist sehr geschickt darin, Halbwahrheiten zu verbreiten, und unsere Dotty hat sich das arme Köpfchen ganz furchtbar mit passenden Konversationsgegenständen belasten müssen, damit sie ein appetitliches Häppchen für Sie darstellt.«
    »Was meine dumpfe Vermutung vollständig bestätigt. Ich frage mich nur, warum sie dich eben gerade so gehässig beschimpfte.«
    »Weil ich sie schon einmal daran gehindert habe, aus fremden Töpfen zu naschen. Und das, obwohl ich nur die Bastardtochter eines klebrigen Küchenmädchens bin.«
    »Das ist ihre Einstellung zu dir? Nun, das rundet das Bild ab. Was habe ich bloß für einen Blödsinn gemacht!«, kam es verbittert von Julius’ Lippen.
    »Ach Unsinn, Julius. Es ist ja noch mal gut gegangen.«
    »Dank deiner Hilfe, Amara.«
    »Ich habe die Szene nicht so arrangiert, das haben die Darsteller selbst getan.«
    »Nein, aber du hast mir im richtigen Moment den richtigen Schubs gegeben.«
    »Wenn du meinst. Dann sind wir quitt wegen des Baums und des Ponys und des Heuhaufens?«, versuchte ich, den niedergeschlagenen Julius zu necken.
    »Mehr als quitt.« Er blieb unter einer Gaslaterne stehen und nahm mich an den Ellenbogen. »Hat sie dich oft kujoniert, Amara?«
    »Nicht öfter als manche anderen mäkeligen Gäste auch. Julius, das macht mir nichts aus. Und zukünftig, da würde ich jede Wette drauf eingehen, werden die Briesnitzens nicht mehr zu unseren Kunden gehören.«
    Er lächelte zu mir herunter, ein großer, attraktiver Mann, und plötzlich tauchte ein anderes Bild vor mir auf.
    »Manchmal – komisch. Ich bin einmal einem Mann begegnet, der sehr viel Ähnlichkeit mit dir hat.«
    Der Griff um meinen Ellenbogen wurde kurz fester, dann löste er sich wieder.
    »In welcher Weise?«
    »Weniger in der Art als im Aussehen, obwohl …«
    »Willst du mir davon erzählen?«
    Ich hob die Schultern. »Wenn du möchtest. Dann komm mit in die Küche. Ich habe außer einem Brot heute noch nicht viel zu essen bekommen.«
    »Ich liebe Küchen.«
    Das Café war geschlossen, Nadina und Melisande waren ausgegangen, das Personal hatte sich zurückgezogen. Ich richtete für mich und Julius einen kalten Imbiss und setzte mich zu ihm an den großen Arbeitstisch. Während wir die übrig gebliebenen Pasteten und den Geflügelsalat vertilgten, erzählte ich Julius von meiner Zeit in der Potsdamer Zuckersiederei und dem Ingenieur, der mich nach dem Tod ihrer Mutter zu Nadina gebracht hatte. Julius hörte gebannt zu und meinte dann: »Meine Mutter hat es unsagbar traurig gemacht, dass sie euch damals nicht helfen konnte, Amara. Sie schätzte Birte sehr. Und ich habe auch nicht von eurer Notlage gewusst, obwohl ich meine Eltern nicht nach England begleitet habe. Ich hatte gerade die école militaire absolviert und stolz mein erstes Kommando bekommen. Ich paradierte in meiner Dragoneruniform durch Deutz und Köln.«
    »Es sollte nicht sein, Julius. Mach dir keine Vorwürfe deswegen. Mir hat Alexander Masters aus der Not geholfen, und bei Nadina geht es mir

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