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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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möchte man eigentlich lieber einen Bummel machen.«
    Ich lachte leise auf. »Das denken heute viele. Sind schlecht fürs Geschäft, diese schönen Maiabende.«
    »Ich komme die nächsten Tage wieder und futtere euch eine halbe Torte weg. Wohin gehst du, Amara?«
    »Hofjägerallee. Zu einer Ihnen sehr bekannten Adresse. Darf ich mir erlauben, Ihnen schon heute viel Glück zu Ihrer Verlobung zu wünschen, gnädiger Herr?«
    »Ach Gott, ja. Morgen steigt das Fest. Ich begleite dich ein Stück, Amara.«
    »Besser nicht, gnädiger Herr. Das sieht nicht gut aus.«
    »Es sieht nicht gut aus, wenn ich mit einem hübschen Mädchen an der Seite durch die Stadt spaziere? Da bin ich aber anderer Meinung. Gib mir eine dieser Hutschachteln, ich trage sie für dich. Seit wann bist du übrigens unter die Putzmacherinnen gegangen?«
    »Hübsche Hütchen aus Erdbeerschaum und Vanillebaiser, ganz die neue Mode. Und nein, ich werde diese Kunstwerke nicht aus der Hand geben.«
    »Ich stippe schon nicht mit dem Finger hinein.«
    »Da Sie ganz offensichtlich vergessen haben, was sich schickt, wäre ich da nicht so sicher. Sie dürfen mich begleiten, aber auf gar keinen Fall Kuchenschachteln tragen, gnädiger Herr.«
    »Sturköpfig?«
    »Sehr.«
    Wir wanderten langsam die Behrenstraße Richtung Brandenburger Tor hinunter. Ich freute mich über seine Begleitung, und nach einigen Schritten schlug er vor: »Gut, dann versuchen wir einen anderen Kompromiss. Wir lassen den ›gnädigen Herrn‹ weg. Bei der Anrede fühle ich mich immer so alt und gesetzt. Früher war ich Julius für dich, Amara.«
    »Master Julius, um das richtigzustellen, und das sind Sie nun ganz bestimmt nicht mehr, Herr von Massow.«
    »Sturkopf!«
    »Sicher.«
    »Dann sind Sie von jetzt an Fräulein Amara für mich.«
    »Da fühle ich aber die kühle Schulter, gnä...«
    »Amara?«
    »Herr Julius?«
    »Das ist dein letztes Angebot?«
    »Ja.«
    Er lachte. »Na gut, wenn du dich zu mehr nicht durchringen kannst. Gott, Amara, wir sind zusammen großgeworden, ich hab dich aus den Bäumen geklaubt, auf die du geklettert bist, hab dich mein Pony reiten lassen und dir eigenhändig das Stroh aus den Kleidern gezupft, als du in den Heuhaufen geflogen bist.«
    »Es war schön auf Evasruh, Herr Julius. Ich werde die Zeit nie vergessen. Waren Sie kürzlich dort?«
    »An Weihnachten zuletzt. Ich bedauere es fast, aber es binden mich derzeit viele Aufgaben hier in Berlin.«
    »Sie werden hier Ihren Wohnsitz nehmen, vermute ich.«
    »Sicher. Das bringen auch die gesellschaftlichen Verpflichtungen mit sich.«
    »Dann dürfte es für Sie erfreulich sein, die Baroness dabei an Ihrer Seite zu wissen.«
    Wir hatten den Anfang des Tiergartens erreicht, und in dem schwindenden Licht hatte ich den Eindruck, als ob ein Schatten über das Gesicht meines Begleiters flog.
    »Dorothea wird diese Rolle gewiss übernehmen«, murmelte er.
    »Sie sollte stolz und glücklich sein, einen Gatten wie Sie zu bekommen, Herr Julius.«
    Er blieb stehen und sah mich an. »Sollte eine Frau das?«
    »Aber natürlich. Sie sehen blendend aus, führen ein tadelloses Leben, haben eine Position, die Ihnen Dutzende von Möglichkeiten eröffnet, sind der Erbe eines reichen Anwesens und haben wunderbare Eltern.«
    »Du weißt ziemlich viel von mir, Amara.« Und dann lachte er auf. »Aber das tun wohl alle, die in dienender Stellung sind.«
    »Wir haben Augen und Ohren. Auch wenn die meisten Herrschaften das immer wieder vergessen.«
    »Und darum hast du deine Zweifel daran, ob Dotty die richtige Frau für mich ist?«
    »Das habe ich mit keinem Wort gesagt, Herr Julius.«
    »Mit keinem, natürlich nicht. Aber auch ich habe Augen und Ohren, Amara. Was ungesagt bleibt, erkennt man oft am Tonfall.«
    Er nahm mir resolut den größeren Behälter ab und ging langsam weiter. Ich folgte ihm, ohne zu protestieren. Aus den Parkanlagen des Tiergartens wehte ein leichter Fliederduft herüber, und in der Anlage selbst ergingen sich die verliebten Pärchen aller Stände. Gerade im vergangenen Jahr hatte der »Buddel-Peter«, wie man den berühmten Gartenbauarchitekten Lenné liebevoll nannte, mit der Umgestaltung des Areals begonnen. In den frisch bepflanzten Rabatten blühten nun Frühlingsblumen, in den Büschen sangen die Vögel ihr Abendlied, und der Himmel über den jungbelaubten Bäumen färbte sich violett. In dieser friedlichen Stimmung erlaubte ich mir, meinem Jugendfreund die sehr intime Frage zu stellen: »Warum haben Sie um

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